#Allgemeines

21. April 2009 | Singen macht klug

Coop-Zeitung, Kinder und Familie
Matthias Zehnder

Es klingt fantastisch, wenn die über 140 Kinder und Jugendlichen der Luzerner Kantorei singen. Kein Zweifel: Das sind alles hochmusikalische Kinder. Oder? Eberhard Rex, der musikalische Leiter der Luzerner Kantorei, schüttelt den Kopf: «Jedes Kind kann singen lernen.»
Er stelle immer wieder fest: «Musikalische Spiele können Kinder fast immer machen. Es sind also eigentlich alle Kinder mit einer Eigenschaft ausgestattet, die man als Musikalität bezeichnen könnte.» Die Musikalität eines Kindes äussere sich nicht primär darin, dass es von sich aus singen könne oder begabt sei für ein Instrument. «Die Grundbedingung für Musikalität ist ein Gefühl für Rhythmus», erklärt Rex.
Wenn ein Kind partout den richtigen Ton nicht trifft und fern jeder Melodie vor sich hinbrummelt, hat das laut Eberhard Rex nichts damit zu tun, dass das Kind nicht singen, sondern damit, dass es nicht zuhören kann. «Diese Kinder haben nicht gelernt, andere und sich selbst zu hören. Das ist oft verbunden mit einer Konzentrationsschwäche.» Singen lernen und zuhören lernen sei eng miteinander verbunden. «Wenn ein Kind singen lernt, dann kann es sich mit der Zeit auch besser konzentrieren.»
In der Luzerner Kantorei lernen die Kinder deshalb nicht nur singen, sondern auch still zu sein, zuzu-hören und sich zurück-zunehmen – nicht gerade Dinge, die heute populär sind. Eberhard Rex ist das klar: «Im Zeitalter von Music Star ist ein Kinderchor eine eher konservativ scheinende Einrichtung. Aber die Fähigkeit zur Stille und ein gewisser Teamgeist sind Stärken, die auch ein Music Star besitzen muss, um überhaupt die Spitze zu erreichen.»
Rex lässt die Kinder in der Kantorei erleben, dass Erfolg durch Training und harte Arbeit erzielt wird. «Kinder brauchen Erfolg, und da, wo sie Erfolg haben, werden sie stark», ist Rex überzeugt. Ist diese Leistungsorientierung kindergerecht? «Die Kinder haben in der Regel kein Problem mit hohen Anforderungen – schon eher die Eltern.» Kinder seien oft viel leistungsorientierter, als ihre Eltern glauben. «Wir geben den Kindern die Möglichkeit, die Leistung erbringen zu können, die sie erbringen wollen.»
Eine Leistung, die den Kindern nicht nur im Chor etwas bringt. Die Stimme, mit der die Kinder singen, ist das persönlichste Ins-trument, das es gibt. Wer seine Stimme zu beherrschen lernt, der lernt auch, seine Persönlichkeit auszudrücken. Oder wie Rex es sagt:«Stimmbildung ist Persönlichkeitsbildung. Wer öffentlich singen kann, der ist auch in der Lage, hinzustehen und öffentlich seine Meinung zu sagen.»
Das kling alles gut. Doch weshalb singen immer weniger Kinder? «Musik ist heute total verfügbar, immer und überall, und verdrängt dadurch das eigene Singen», erklärt Eberhard Rex. Dazu komme: «Die Welt ist so lärmig, dass Musik leicht überhört wird.» Für die Musik sei das fatal.» Vor einem Konzert gibts bei uns im Chor zehn Minuten Silentium: Da wird nichts mehr gesungen, nichts geredet, jeder horcht in sich hinein. Es ist die Stille, die es braucht, damit Musik entstehenkann.»?

**Interview mit Eberhard Rex**
Künstlerischer Leiter der Luzerner Kantorei

Seit August 2000 ist Eberhard Rex künstlerischer Leiter der Luzerner Kantorei. Kinder aus seinen Chören sind in der Schweiz als Sänger gefragt und singen zum Beispiel immer wieder in Opern-aufführungen oder im Fernsehen. Rex gilt deshalb in der Schweiz als einer der führenden Kindermusikpädagogen. In der Luzerner Kantorei singen über 100 Kinder aus der ganzen Innerschweiz. Die Kantorei ist nicht als gemischter Chor organisiert: Buben und Mädchen üben getrennt in einem Knaben- und einem Mädchenchor.

*In der Kantorei singen bestimmt nur ganz musikalische Kinder.*
Das kann man so nicht sagen. Sicher: Die Kinder brauchen von sich aus einen Zugang zur Musik. Die Frage ist aber: Was bedeutet „musikalisch“? Musikalität äussert sich nicht im Singen-Können oder Begabt-Sein für ein Instrument. Die Grundbedingung für Musikalität ist ein Gefühl für Rhythmus. Wenn ein Kind ein gewisses Gefühl für Rhythmus hat, dann ist es musikalisch. Ich stelle das immer wieder fest bei Kindern: So gut wie jedes Kind ist in der Lage, musikalische Spiele zu spielen. Es sind also eigentlich alle Kinder mit der Eigenschaft ausgestattet, die man als „Musikalität“ bezeichnen könnte.

*Es kommt aber immer wieder vor, dass in einer singenden Kindergruppe ein paar Buben weit ab von der Melodie etwas vor sich hinbrummeln, das mit dem Lied nicht viel zu tun hat.*
Ja, das gibt es. Das ist aber weniger ein Defizit im Singen-Können als ein Defizit im Hören-Können, vor allem im Zuhören-Können. Die Kinder haben nicht gelernt, andere und sich selbst zu hören. Das ist oft verbunden mit einer Konzentrationsschwäche. Wenn man es schafft, die Kinder dazu zu bringen, zuzuhören und sich selbst zu hören, dann lernen sie auch singen. Umgekehrt kann man es auch nutzen: Wenn ein Kind singen lernt, dann kann es sich mit der Zeit auch besser konzentrieren.

*Das heisst: Wenn Kinder nur brummeln, dann fehlt ihnen nichts ausser der Übung?*
Ja, es fehlt nur die Übung, die Gewöhnung daran. Ob Kinder singen, merkt man ihnen sofort an. Es ist ein riesiger Unterschied in Schulklassen. Wir besuchen um Umkreis von Luzern jetzt gerade viele Schulklassen. Man merkt es schon, wenn man in die Klasse hineinkommt, ob in der Klasse gesungen wird oder nicht. Und zwar nicht daran, ob sie einen mit einem Lied begrüssen, sondern daran, wie aufmerksam sie sind. Eine aufmerksame Klasse singt viel. Die Kinder sitzen dann auch gespannt und erwartungsvoll da. Kinder sind eigentlich von Natur aus gespannt und erwartungsvoll. Diese Aufnahmefähigkeit lässt sich unglaublich trainieren und steigern.

*Die Aufnahmefähigkeit ist da, aber verstopft – zum Beispiel durch Medien?*
Überall da, wo nur einseitig kommuniziert wird, wo man sich nur berieseln lässt, wo man kein reales, sondern nur ein virtuelles Gegenüber hat, stumpft dieses Vermögen ab, ja. Übrigens nicht nur die Aufnahmefähigkeit, auch andere Fähigkeiten. Viele Kinder sind ja heute nicht einmal mehr in der Lage, einen Purzelbaum zu machen.

*Wie lässt sich die Aufnahmefähigkeit wiederherstellen?*
Das ist das, was wir im Chor trainieren, wenn die Kinder zu uns kommen. Wir trainieren die Konzentration auf einen Punkt. Zum Beispiel müssen die Kinder lernen, still zu sitzen. Das ist heute gar nicht mehr selbstverständlich, dass Kinder über einen längeren Zeitraum, etwa eine Viertelstunde, still sitzen und sich konzentrieren können. Wir waren früher 35 oder 40 Kinder in einer Klasse, da hatte es schon auch mal einen, der nicht still sitzen konnte – aber nur einen. So verbreitet wie das heute ist, war das früher nie. ADHS und ähnliche Phänomene kannte man namentlich noch nicht. Ganz ehrlich – wir hatten es zu unserer Kinderzeit aber auch viel leichter als die Kinder heute. Multimediale Dauerberieselung, bildschirmorientiertes, egozentrisches Spielzeug, virtuelle Bewegungsräume anstatt Spielen im Wald belasten die psychische Entwicklung permanent . Heute müssen Kinder es richtiggehend üben, sich zu konzentrieren und sich von den vielfältigen attraktiven visuellen und auditiven Eindrücken abzugrenzen. Wir erwarten von den Kindern im Chor, dass sie während eines Konzerts still stehen und sich konzentrieren können. Wenn sie dazu in der Lage sind, dann können sie meist auch zuhören und schön singen.

*Woher kommt das, dass Kinder sich nicht mehr zurücknehmen und zuhören können?*
Sie werden ungewollt dazu erzogen. Kinder bekommen heute vielfach in die Wiege gelegt, dass sie immer und überall Mittelpunkt der Welt sind. Die Vermittlung dieses Empfindens wird oft gleichgesetzt oder damit verwechselt, dem Kind zu zeigen, dass es geliebt wird. Keine Frage: Kinder müssen uns wichtig sein. Wenn sie dabei aber nicht lernen, dass es Ebenen gibt, auf denen sie nicht der Mittelpunkt sind oder auch nur für einen kurzen Moment warten müssen, haben sie später Mühe, sich mass- und respektvoll mit ihren Mitmenschen auseinanderzusetzen. Ich habe gerade ein sehr spannendes Buch gelesen, das dieser Frage nachgeht: „Warum unsere Kinder Tyrannen werden“, des Kinder- und Jugendpsychiaters Michael Winterhoff. Er hat jahrelang die Entwicklung von Kindern in seiner Praxis beobachtet und stellt fest, dass immer mehr Kinder keine Gelegenheit haben, ihre Psyche altersgemäss auszubilden. Ein schwergewichtiges Thema ist dabei die Partnerschaftlichkeit in der Erziehung: Kinder werden früh in Entscheidungsprozesse von Erwachsenen einbezogen. Zum Beispiel ist es für ein sechsjähriges Kind unmöglich zu entscheiden, ob es in einen Chor gehen soll oder nicht. Das kann ein Kind einfach nicht beurteilen, weil es im Moment lebt. Die Eltern fragen aber die Kinder immer wieder, ob sie im Chor singen möchten. Die Eltern wissen: Das wäre ja gut fürs Kind, aber das Kind sagt: Ich möchte jetzt grad nicht.

*Die Laune des Kindes dominiert also die Entscheidung?*
Genau: Kinder leben im Jetzt und leben nach der Laune. Dieser Laune wird oft zu schnell nachgegeben. Kinder sind nicht in der Lage, eine Entscheidung zu fällen, die möglicherweise Konsequenzen hat für viele Jahre.

*Wie gehen Sie damit in der Kantorei um?*
Zunächst versuchen wir natürlich die Laune, also die Motivation der Kinder für uns zu gewinnen und machen uns dabei deren Begeisterungsfähigkeit zunutze. Aber immer unter der Prämisse: Kein Chaos in der Probe, immer hat der Chorleiter absolut das Sagen, kein Kind ist wichtiger als das andere, und individualistisches Hervortun Einzelner wird nicht unterstützt. Ziemlich konservativ möchte man meinen, im Zeitalter von Music Star. Aber unsere Kinder akzeptieren das problemlos von Anfang an und diejenigen, die längere Zeit im Chor sind, haben erstaunlicherweise mit Musicstar kaum mehr was am Hut. Verstehen sie mich recht: Music Star brauchts auch. Kinder brauchen Helden, vor allem solche, die zeigen, dass Erfolge durch Training und harte Arbeit erzielt werden. Ich nutze aber dann eher Beispiele aus dem Sport, da sind die Zusammenhänge von Engagement und Erfolg deutlicher. Kinder brauchen Erfolg, und da, wo sie Erfolg haben, werden sie stark. Wir versuchen den Kindern, Erfolg zu vermitteln, aber einen Erfolg, den sie selbst erarbeitet haben. Das ist manchmal hart und benötigt viel Einsatz, es geht manchmal auch an die Grenze, aber nur an dieser Grenze stellt sich auch Befriedigung und Entwicklung ein. Da sind die Kinder dann auch zu Recht stolz. Man könnte deshalb auch sagen: Musikalität ist der Schnittpunkt von verschiedenen Eigenschaften und gehört zur Persönlichkeit.

*Sie sprechen von hartem Training – woran arbeiten Sie genau?*
Auf der rein technischen Ebene erarbeiten wir gemeinsam ein bestimmtes Programm. Da geht es also darum, dass jedes Kind zum richtigen Zeitpunkt die richtigen Noten singt. Es geht aber um mehr als das. Wir versuchen in jeder Probe auch zu vermitteln, dass man sich persönlich für die Musik einsetzen muss und dass es jeden braucht. Wenn einer nur mitsingt und sich vom Kollektiv mitschleppen lässt, schmälert er die Teamleistung. Jeder muss die Verantwortung für das Ganze übernehmen. Das führt dann zu einer nicht geahnten Entwicklung. Wir haben schon auch die hochmusikalischen Kinder, wir haben aber auch viele ganz normale Kinder. Wenn jeder seine persönliche Begabung in den Chor einbringt, dann wächst das Ganze in unglaublicher Weise.

*Jetzt singen Sie aber nicht Rock und Pop, sondern klassische Musik. Finden das nicht viele Kinder schrecklich uncool?*
Ein Kind würde von sich aus diese Frage nicht stellen, es unterscheidet nicht zwischen Klassik und Pop, nur zwischen gefallen und nicht gefallen. Wenn wir heute eine Bach-Motette singen, kommt das für Kinder schon ein bisschen elitär daher. Klassische Musik wird heute oft als nicht kindgerecht bezeichnet und verrät doch nur ein gestörtes Verhältnis der Erwachsenen-Gesellschaft zur Kunst. Die Frage nach dem Kindgerechten hat mit Klassik nichts zu tun. Kindgerecht ist: Lernen wollen, Leistung bringen wollen. Wir geben den Kindern die Möglichkeit, die Leistung erbringen zu können, die sie erbringen wollen. Deshalb definieren wir die musikalische Palette, die wir den Kindern anbieten nicht über das Label „Klassik“, sondern es ist die Musik, die sie authentisch mit ihren Stimmen darstellen können, das heisst, die nicht im Studio technisch zu dem gemacht ist, wonach sie auf der CD klingt. Unter diesem Aspekt ist auch eine Bach-Motette extrem cool.

*Überfordert das die Kinder?*
Was ist Überforderung? Man hat mir zu Beginn gesagt: Wenn du so viel verlangst, springen dir die Kinder ab. Das ist nicht passiert, im Gegenteil: Die Kinder merken, wenn etwas authentisch ist. Die Kinder haben kein Problem mit hohen Anforderungen. Dinge, zu denen Kinder jahrhundertelang selbstverständlich in der Lage waren, können doch eigentlich heute in unserer aufgeklärten Gesellschaft keine Überforderung sein. Sollen wir denn Kinder vor ihren eigenen Fähigkeiten verschonen? Eher sind es die Eltern, die sich gelegentlich nicht vorstellen können, zu welchen musikalischen Leistungen ihre Kinder fähig sind. Diese Eltern reden dann gerne von der Überforderung der Kinder und meinen dabei unbewusst ihren eigenen fehlenden Zugang zur Klassik. Ich kann mich daran erinnern, dass auch meine Eltern damals diesen Zugang erst durch mein Musizieren gefunden haben. Sich gemeinsam auf das Abenteuer Musik einzulassen, das schweisst zusammen, das gibt eine Art Geheimbund. Wir sind eine eingeschworene Truppe und gehen miteinander durchs Feuer. „Keine Lust“ ist keine Option.

*Die Kinder singen nicht nur im Chor, sie haben auch Stimmbildung.*
In der Stimmbildung lernt das Kind die technischen Fertigkeiten, die es benötigt, um im Chor mithalten zu können. Die Stimme ist das Instrument – das Kind muss lernen, sein Instrument, also seine Stimme, zu beherrschen. Die Stimme ist das persönlichste Instrument, das es gibt. Man lernt deshalb in der Stimmbildung auch, seine Persönlichkeit auszudrücken. Stimmbildung ist deshalb auch Persönlichkeitsbildung.

*Wie drückt sich das aus?*
Wer öffentlich singen kann, der ist auch in der Lage, hinzustehen und öffentlich seine Meinung zu sagen. Als wir 2005 anlässlich des Jubiläums der Schweizergarde in Rom auftraten, sangen unsere Kinder und Jugendlichen die Soli selbst: Der Sopransolist war 12 Jahre alt, der Tenorsolist war 14, der Basssolist war 16 Jahre alt. In der Kirche sassen 2500 Personen. Welcher Erwachsene wäre da einfach hingestanden und hätte gesungen? Sich da zu trauen, zu singen und sich damit zu äussern, das lernt man in der Stimmbilung. Ein „Gloria in excelsis deo“ zu singen, das ist ein Bekenntnis. Nicht unbedingt religiöses, aber ein musikalisches Bekenntnis – und ein Bekenntnis zu seiner Person. Es sind nicht alle zum Solisten geboren, aber die, die fähig sind, ein Solo zu singen, erarbeiten sich in der Stimmbildung die nötigen Werkzeuge dazu.

*…wenn sie die nötige Musikalität mitbringen.*
Wenn wir nur Kinder aus Musikerfamilien hätten, könnten wir nicht überleben. Ich erinnere mich an einen Buben, der konnte keine zwei Töne unterscheiden. Nach drei Jahren Arbeit sang er an der Oper einen der Knaben in der „Zauberflöte“. Einfach deshalb, weil sich der Bub darauf eingelassen hat. Wir haben immer wieder Kinder, denen es nicht leicht fällt. Es gibt auch manchmal Tränen. Wenn die Kinder sich aber auf die Arbeit einlassen, dann haben sie auch Erfolg.

*Jetzt können und wollen nicht alle Kinder gleich in eine Kantorei eintreten. Wie kommen alle anderen Kinder wieder zum Singen?*
Früher hat die Mutter mit den Kindern gesungen. Das war der einfachste Weg. Das kann beim Einschlafen sein, am Tisch, im Familienkreis. An diesem Punkt kommen die Erwachsenen ins Spiel: Die empfinden das Singen oft als peinlich – Kinder nie. Wenn Kinder heute nicht mehr singen, liegt das an den Erwachsenen. Die heutige Elterngeneration ist vielfach geprägt durch eine Kinderzeit im Einfluss der 68er-Revolte. Im Bruch mit den Traditionen der Vorfahren verschwand auch das Singen aus den Kinderstuben. Aber ausgehend von Schulen und Kindergärten ist langsam wieder ein Umkehren der Entwicklung zu spüren. Vielleicht müssen die Erwachsenen das Singen wieder von den Kindern lernen.

*Liegt es vielleicht auch daran, dass einem, angesichts von CDs, DVDs, Fernsehen und Internet das eigene Singen arg kümmerlich vorkommt?*
Das ist das eine: Man traut sich kaum, gegen die Perfektion anzutreten. Das andere ist: Die Medienpräsenz ist heute so hoch, dass man gar nicht mehr zu singen braucht. Musik ist total verfügbar, immer und überall, und verdrängt dadurch das eigene Singen. Die Welt ist so lärmig, dass das Singen „unplugged“ allzu leicht überhört wird. Die Menschen heute brauchen anscheinend den Dauerlärm, haben Angst vor dem Nichts, haben Angst, in der Stille irgend etwas zu verpassen. Für die Musik ist das fatal. Bei uns im Chor gibt’s darum zehn Minuten vor einem Konzert ein Silentium: Da wird nichts mehr gesungen nichts geredet, jeder horcht in sich hinein. Es ist die Stille, die es braucht, damit Musik entstehen kann.

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17. April 2009 | Eine ganz besondere Verbundenheit

Schaffhauser Nachrichten, Beilage zum Sechseläuten
Von Eugen Haltiner, Präsident Finma

Heimat ist der Ort, mit dem Kindheits- und Jugenderinnerungen verbunden sind, wo die ersten Schuljahre verbracht werden, wo, wo, wo – noch vieles liesse sich anfügen wie in meinem Fall die Kommersjahre in der Scaphusia mit jeweils einem streng geordneten 1. Akt, einem trotz Zucht des Fuxmajors etwas weniger geordneten 2. Akt und der anschliessenden, von Unbeteiligten öfter als Nachtruhestörung empfundenen Sangeslust, getreu dem Motto «ex est commercium, initium fidelitatis». Nicht zu missen sind aber auch die gemeinsamen Erlebnisse aus militärischen Diensten im Füs Bat 61 und, und, und … Dies ist kein Aufruf, wegen der Heimatgefühle das ganze Leben in dieser vertrauten Umgebung zu verbringen, denn erst ausserhalb der Grenzen, südlich des Rheines und hinter dem Kohlfirst beginnen die Lehr- und Wanderjahre. Führt der Weg dann zurück – tant mieux für Schaffhausen! Werden anderswo Wurzeln geschlagen, so bleibt die besondere Verbundenheit, die sich in jeder Begegnung mit Ehemaligen und Ehemaligem wieder erneuert.

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16. April 2009 | Weniger Schüler an Kantiprüfung

Schaffhauser Nachrichten, Region
(r.)

317 Schülerinnen und Schüler haben sich für das nächste Schuljahr in der Kantonsschule angemeldet, dies waren fünf Prozent weniger als letztes Jahr. 205 Schüler haben die Aufnahmeprüfungen bestanden, was einer Erfolgsquote von 65 Prozent entspricht. Die Aufteilung auf die verschiedenen Abteilungen und Ausbildungsprofile ist ausgeglichen: 40 Schüler werden in die Fachmittelschule (FMS) eintreten. In der Maturitätsschule wird mit acht neuen ersten Klassen eine Klasse weniger als im Vorjahr geführt: 63 Schüler beginnen im musisch-neusprachlichen Ausbildungsprofil M, 61 Schüler im naturwissenschaftlich-mathematischen Profil N und 41 Schülerinnen und Schüler im sprachlich-altsprachlichen Profil S mit Latein. Die erfolgreichen Prüflinge starten nach den Sommerferien in die Probezeit, die ein Semester dauert.

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15. April 2009 | Erster «Suff» im Kindesalter

Schaffhauser Nachrichten, Von Tag zu Tag
(sda)

Jeder siebte 13-Jährige betrinkt sich mindestens einmal pro Monat. Dabei unterscheiden sich Mädchen und Jungen kaum in ihrem Trinkverhal-ten. Probleme, an günstigen Alkohol zu kommen, haben die Jugendlichen nicht. Hinzu kommt, dass häufig im Freundeskreis oder im Elternhaus gebechert wird – also an Orten ausserhalb behördlicher Kontrolle, wie die Schweizerische Fachstelle für Alkohol- und andere Drogenfragen (SFA) feststellt.
Zwar habe der Alkoholkonsum von Jugendlichen seit 2002 abgenommen, schreibt die SFA in einer gestern veröffentlichten Auswertung der europäischen Schülerstudie von 2007. Er sei aber immer noch auf einem hohem Niveau. Die Studie «European School Survey Project on Alcohol and Other Drugs» (ESPAD) wurde in 43 Ländern durchgeführt. Die Schweiz beteiligte sich – finanziert von der SFA – zum zweitenmal. Gemäss der ESPAD-Studie betrinkt sich in der Schweiz fast jeder siebte Jugendliche im Alter von 13 Jahren mindestens einmal pro Monat. Fast die Hälfte der Befragten hatte im Monat vor der Umfrage Alkohol konsumiert. Mehr als drei Viertel der 13-Jährigen konsumierte mindestens einmal im Leben Alkohol, gut 7 Prozent taten dies 40-mal oder häufiger. Die festgestellten Alkoholkonsum-Muster hält die SFA für bedenklich. «Je früher Alkoholräusche erlebt werden und je früher regelmässig konsumiert wird, desto grösser ist das Risiko, ein Alkoholproblem zu entwickeln.» Um Kinder und Jugendliche davor zu bewahren, sieht die SFA verschiedene Ansätze. Dazu gehört eine bessere Überwachung der Alkoholabgabe sowohl in Geschäften als auch in Bars, Discos und Restaurants. Wichtig sei eine gute Schulung des Verkaufs- und Servicepersonals.

**Zentrale Rolle der Eltern**
Eine zentrale Rolle spielen laut SFA auch die Eltern. Eine gute Eltern-Kind-Beziehung mit gegenseitigem Vertrauen sei massgebend. Jugendliche mit dieser Voraussetzung neigten dazu, Alkohol erst später zu versuchen. Sie tränken weniger und hätten später weniger Alkoholprobleme. Die Haltung der Eltern zum Alkoholkonsum sei prägend. Sie müsse klar und konsequent sein. Probiere das Kind ein alkoholisches Getränk aus, sollten Eltern das ernst nehmen, ohne diese erste Erfahrung zu dramatisieren. Dem Kind seien die Wirkung und die Risiken von Alkohol zu erklären.

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11. März 2009 | Kein Bier, kein Tabak – Frankreichs Jugend soll rauschfrei leben

Schaffhauser Nachrichten, Ausland
Ansgar Haase

Jugendliche, die sich ins Koma saufen, Mädchen, die mit 16 Jahren Kette rauchen, und eher feuchte als fröhliche Feiern zum bestandenen Schulabschluss: Mit all dem soll in Frankreich bald für immer Schluss sein. Das Nachbarland macht Ernst mit der Verschärfung des Jugendschutzes: Die erste Parlamentskammer beschloss ein Verkaufsverbot von Alkohol und Tabakwaren an unter 18-Jährige. Nur die zweite Kammer muss noch zustimmen, damit das Gesetz in Kraft tritt.

Bislang durften junge Franzosen ab 16 Jahren munter zu Zigaretten und zu Getränken mit geringem Alkoholgehalt greifen. Künftig soll nicht einmal mehr ein Glas Wein zum Essen erlaubt sein. Auch den sogenannten Flat-Rate-Partys mit Alkohol zum Pauschalpreis hat wohl die letzte Stunde geschlagen. Eine «glasklare» Politik hatte Gesundheitsministerin Roselyne Bachelot bereits im Februar angekündigt.

**Zustimmung und Skepsis**
Die Reaktionen auf den harten Vorstoss der französischen Regierung sind gespalten. Während die Gesundheitsministerin sich von dem Gesetz einen erheblichen Beitrag im Kampf gegen das weitverbreitete Komasaufen oder die Nikotinabhängigkeit erhofft, zeigt sich die Bevölkerung skeptisch. «Auf dem Papier mag das eine gute Massnahme sein», urteilte ein junger Mann am Dienstag im französischen Radio. Letztlich komme aber doch selbst ein Zwölfjähriger heute schon an Alkohol. Selbst Forscher zeigen sich zurückhaltend. «Wir sprechen nie vom wirtschaftlichen und sozialen Druck», kritisiert Marie Choquet vom nationalen Gesundheitsinstitut Inserm. Auch Ursachen wie Schulstress fänden im Kampf gegen Alkoholmissbrauch unter Jugendlichen zu wenig Beachtung.

**Kein Fest ohne Alkohol**
Hintergrund der französischen Gesetzesinitiative ist vor allem die steigende Zahl der bekanntgewordenen Massenbesäufnisse. Wie in der Schweiz und anderen europäischen Ländern treffen sich französische Jugendliche am Wochenende, um sich grundlos «wegzuschiessen». Nicht selten enden solche Partys mit schweren Alkoholvergiftungen. Rund zwei Drittel der 16-Jährigen in Frankreich geben bei Umfragen an, problemlos sogar an Schnaps zu kommen. Selbst 12- und 13-Jährige müssen Eltern schon mit lebensbedrohlichen Vergiftungen aus dem Spital abholen. Soziale Grenzen scheint es nicht zu geben. Dass es die französische Gesundheitsministerin Bachelot mit ihrer Null-Toleranz-Strategie gegen Alkoholmissbrauch relativ leicht hatte, dürfte nicht zuletzt am Präsidenten Nicolas Sarkozy liegen, der eigenen Angaben zufolge keinen Tropfen Alkohol trinkt. (dpa)

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11. März 2009 | «Wir haben gute Trümpfe»

Schaffhauser Nachrichten, Region
Walter Joos

«Es stehen uns eine Reihe schwieriger Jahre bevor.» Zu dieser Erkenntnis gelangte Serge Gaillard gestern anlässlich der vierten Wirtschaftsdebatte der Handelsschulverbindung Commercia im Keller des Kulturklubs Haberhaus. Im Zentrum der seit 2006 bestehenden Veranstaltungsreihe standen diesmal die Möglichkeiten der Arbeitsmarktpolitik zur Milderung der aus der weltweiten Finanzkrise zu erwartenden Konsequenzen. Dabei vertrat der heute als Direktor für Arbeit im Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) tätige Ökonom die Auffassung, dass die im vergangenen Jahr mit unerwarteter Wucht über nahezu alle Nationen hereingebrochene Rezession auch unsere Wirtschaft in einer ganz besonderen Weise herausfordert.

**Erfreulich gute Ausgangslage**
Nach Ansicht des Referenten steht die Schweiz heute vergleichsweise gut da. Sie befinde sich weder bezüglich des Binnenmarktes noch bezüglich der Lage auf dem Immobilienmarkt in einer eigentlichen Krise. Unser Land habe gute Trümpfe und verfüge über eine Vielzahl finanziell gesunder und wettbewerbsfähiger Unternehmen. Daraus resultiere eine gewisse Robustheit gegenüber den aktuellen konjunkturellen Schwankungen. Angesichts der starken wirtschaftlichen Verflechtungen mit dem Ausland gerate die Schweiz – so Serge Gaillard – allerdings durch die teilweise dramatischen Einbrüche im Bereich der Exportwirtschaft in einer Vielzahl von Branchen unter zunehmenden Druck.

**Zuversicht und Optimismus**
Trotz der momentan eher düsteren Aussichten zeigte der Vertreter des Staatssekretariats für Wirtschaft gestern in Schaffhausen viel Selbstvertrauen und einen bemerkenswerten Optimismus. Er rechnet zwar mit einer weiteren Zunahme der Kurzarbeit und der Zahl der Arbeitslosen. Mittelfristig glaubt er jedoch daran, dass wir die Krise dank einer Reihe von klugen Massnahmen ohne grösseren Schäden überwinden können. So sei es bisher den Behörden über weite Strecken gelungen, die Bankenwelt und das mit ihr verbundene Kreditsystem einigermassen zu stabilisieren. Regierung und Parlament seien ausserdem daran, den ihnen zur Milderung der Krise zur Verfügung stehenden wirtschaftlichen Spielraum auf sinnvolle Weise zu nutzen. Lobende Worte fand Serge Gaillard für die grossen Bestrebungen von Politik und Wirtschaft zur Sicherstellung einer ausreichenden Zahl von neuen Lehrstellen sowie zu einer möglichst raschen Wiedereingliederung von arbeitslos gewordenen Menschen in die Erwerbstätigkeit. Der Referent sprach sich gestern im Haberhaus ausserdem zugunsten staatlicher Bestrebungen zur Behebung der momentanen konjunkturellen Flaute aus. Zu den aus der Sicht des Staatssekretariats für Wirtschaft möglichen Impulsen zählte er unter anderem einen rascheren Ausbau der Infrastruktur der Schweizerischen Bundesbahnen und der zur Erschliessung weiter Landesteile existierenden Privatbahnen, eine speditive Umsetzung der im Rahmen der neuen Regionalpolitik des Bundes von den einzelnen Kantonen ausgearbeiteten Projekte sowie eine gezielte Sanierung von bereits bestehenden öffentlichen Bauten und Anlagen. Auch im Bereich des Umweltschutzes und der Tourismusförderung sieht der Direktor für Arbeit konkrete Möglichkeiten zur Ankurbelung der Wirtschaft. Dabei dürfe sich der Bund aus seiner Sicht für eine beschränkte Zeitdauer allenfalls stärker verschulden.

**Die Steuern von morgen**
Laut dem Koreferenten David Schöttli – er widersprach Serge Gaillard in diesem Punkt – sind die Schulden von heute allerdings oft die Steuern von morgen. Zum Schluss erkundigte sich Diskussionsleiter Martin Schläpfer nach der Meinung des Referenten zum Bankkundengeheimnis. «Was moralisch fragwürdig geworden ist, gereicht unserem Land langfristig mit Sicherheit nicht zum Vorteil», unterstrich Serge Gaillard seine Haltung.

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24. Februar 2009 | Auf einen Augenblick – Ulrich-Schoop-Skulptur an der Kantonsschule

Schaffhauser Nachrichten, Stadt Schaffhausen
(ch)

Zur Einweihung des Neubaus der Kantonsschule Schaffhausen hat die Mittelschulverbindung Scaphusia der Kantonsschule eine Skulptur des Zürcher Bildhauers Max Ulrich Schoop (1903–1990) geschenkt. Das Geschenk, so heisst es in der Schaffhauser Mappe von 1969, sei ein Zeichen der Verbundenheit mit den Alma Mater Scaphusiensis. Die Skulptur sei auch ein Dank «für die meist als schön empfundenen Jahre» an der Kantonsschule. Mit der Skulptur, deren aufragenden Flügel, habe der Künstler symbolhaft die Situation der Jugend zum Ausdruck gebracht, kann man in der Mappe weiterlesen. Schoop, der Künstler dieses Werkes, besuchte 1923 die Kunstgewerbeschule in Zürich und erlernte danach erst das Handwerk eines Grafikers, bevor es ihn nach München in die Lehre bei dem Bildhauer Fritz Behn zog. Fritz Behn gehört zu den profiliertesten deutschen Tierbildhauern des 20. Jahrhunderts, der mit seinen Skulpturen wohl auch den Künstler Max Ulrich Schoop inspirierte. Schoop lebte zwölf Jahre in Paris, wo er der «Abstraction-Création», einer Künstlerorganisation, angehörte. 1940 zog es ihn wieder in die Schweiz, wo er in Zürich lebte und arbeitete.

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19. Februar 2009 | Maturité bilingue und Immersion

Schaffhauser Nachrichten, Aus- und Weiterbildung
Karl Hotz

Es ist schon fast eine Binsenwahrheit: Unsere Welt wächst immer mehr zusammen. Darum wird auch der souveräne Umgang mit fremden Sprachen immer wichtiger. Ein Weg dazu sind die sogenannten zweisprachigen Maturitäten. Dabei gibt es zwei Formen. Bei der ersten Variante wird – zumindest bei uns in Schaffhausen – das dritte Schuljahr statt auf dem Emmersberg in einer französischsprachigen Mittelschule in der Romandie absolviert – die sogenannte Maturité bilingue. In der Variante zwei wird ein Teil der Fächer ab der zweiten Klasse vollständig in Englisch absolviert. Hier spricht man von der sogenannten Immersionsmethode. Wir unterhielten uns mit Rektor Urs Saxer und Protektor Pasquale Comi, der die Evalutionsphase leitete, über Ziel und Erfahrungen der neuen Methode.

**«Keine Elite der Elite»**
Eines stellt Urs Saxer gleich eingangs klar: «Bei uns ist, anders als teilweise in anderen Kantonen, der Zugang zu beiden Formen sehr offen. Wir wollen keine Elite der Elite, für die die Maturité bilingue oder die Immersionsmethode eine Art Belohnung ist.» Für einen Aufenthalt in der französischsprachigen Schweiz reicht beispielsweise die Note 4,5 in Französisch sowie ein Gesamtnotendurchschnitt in gleicher Höhe. Und beim Immersionsunterricht heisst es in den Richtlinien, er sei für alle Schülerinnen und Schüler des Sprachlich-Altsprachlichen Profils (S) offen, die Freude daran hätten, Fremdsprachen auf eine neue Art zu lernen, und motiviert seien, mit Ausdauer an Problemlösungen zu arbeiten. Zugelassen sind zudem sowohl Schülerinnen und Schüler, die Englisch im Schwerpunktfach, als auch solche, die es im Freifach belegen.

**Erste Tests vor acht Jahren**
Die ersten Versuche mit den neuen Formen, so Pasquale Comi, seien an der Schaffhauser Kantonsschule in den Jahren 2001 bis 2003 unternommen worden. Damals wurden die Fächer Mathematik und Geschichte in englischer Sprache unterrichtet. Die Erfahrungen waren so positiv, dass ab 2004 jährlich ein neuer Klassenzug des sogenannten Ausbildungsprofils S (sprachlich-altsprachlich) in einem erweiterten Pilotversuch in den beiden Fächern und zusätzlich in Physik in Englisch unterrichtet wurden. Auch dieser Pilot verlief sehr positiv, so dass die Kantonsschule dem Erziehungsrat den Antrag stellte, diese Maturitätsform definitiv einzuführen. Im Oktober letzten Jahres wurde der Antrag gutgeheissen. Die Ergebnisse wurden sehr sorgfältig evaluiert. Bei zwei Parallelklassen zeigte sich beispielsweise im Jahre 2006, dass die Klasse mit dem Immersionsunterricht das Tempo am Anfang etwas drosseln musste, bis der fachspezifische und allgemeine Wortschatz erarbeitet war. Doch schon nach wenigen Wochen glichen sich die Unterschiede aus. Ein Jahr später wurden Vergleichsprüfungen im Fach Geschichte durchgeführt – ohne signifikante Unterschiede. Eine letzte Umfrage kurz vor der Matur ergab das gleiche Resultat. Die Lehrkräfte der Immersionsklassen stellten allerdings im Unterricht ein grösseres Interesse fest – was natürlich auch daran liegen könnte, dass eher die Aktiveren und Interessierteren sich überhaupt für eine zweisprachige Matur entscheiden. Und die Maturprüfungen bestätigten schliesslich die vorherigen Resultate: Alle zweisprachigen Schülerinnen und Schüler erhielten das Maturzeugnis, und Experten, die beide Klassen begutachteten, stellten keinerlei Unterschiede fest. Wenig überraschend stellten die Englischlehrer fest, dass die Immersionsklasse beim Hören, Sprechen und Lesen, etwas weniger im Schreiben, überdurchschnittliche Erfolge erzielten – mit unerwarteten Folgen: In der Freifachklasse stellte die Englischlehrerin fest, dass sich die Schülerinnen und Schüler, die die Immersionsklassen nicht besuchten, gehemmter verhielten und sich weniger zu Wort meldeten, weil die Immersionsschüler deutlich besser waren.

**Die gleichen Prüfungen**
Ebenso sorgfältig wurden die Leistungen in Mathematik und Physik verglichen, was fast noch ein wenig einfacher war, denn es konnten in beiden Gruppen einfach die identischen Prüfungsaufgaben gestellt werden. Auch hier wurde festgestellt, dass zu Beginn die Immersionsklassen im Fach Physik etwas schlechter abschnitten – vermutlich wegen des bereits erwähnten gedrosselten Lerntempos. Doch mit der Zeit glichen sich die Unterschiede praktisch aus. In der Mathematik waren die Erfolgsquoten bei den einzelnen Prüfungsfragen zwar unterschiedlich, doch bei den Gesamtnoten schnitten die Immersionsklassen bei den vergleichbaren Fragen leicht besser ab. Umgekehrt war es bei der Entwicklung der Zeugnisnoten in Physik nach einem Jahr: Während die Noten der Immersionsklassen im Durchschnitt ganz minim um 0,03 Punkte sanken, stiegen jene der Normalklasse um 0,2 – alles in allem aber auch keine signifikanten Unterschiede.

**Auch ein Anreiz für die Lehrkräfte**
Rektor Urs Saxer rückt aber auch noch einen anderen Punkt in den Vordergrund: «Wir sehen vor allem den Immersionsunterricht auch als Herausforderung und Entwicklungsmöglichkeit für die Lehrkräfte.» Man verzichte darauf, das sogenannte «Proficiency», einen anerkannten Standard für Englischkenntnisse, zur Bedingung zu machen, man setze einfach sehr gute Englischkenntnisse voraus, insbesondere auch im sprachlichen Ausdruck. Aber natürlich biete man den Lehrkräften, die Immersionsunterricht erteilen wollten, die Gelegenheit zur Weiterbildung. Diese Möglichkeit werde, vor allem in Form von Sprachaufenthalten auch gerne wahrgenommen. Es brauche zudem von allen auch einen Sondereinsatz: «So müssen beispielsweise sämtliche Unterlagen ins Englische übersetzt werden. Und auch sonst braucht die Vorbereitung der Lektionen etwas mehr Aufwand.» Lehrkräfte, die Immersionsklassen unterrichten, erhalten deshalb eine Lektion Entlastung. Sowohl Urs Saxer wie auch Pasquale Comi sind sehr erfreut, dass der Erziehungsrat nun definitiv grünes Licht für die neuen Unterrichtsformen erteilt hat. «Das wertet das Angebot der Kantonsschule Schaffhausen auf», ist Saxer überzeugt.


**Austauschjahr Noten werden übernommen**

Bei der «Maturité bilingue» wechseln Schülerinnen und Schüler in der dritten Klasse der Kantonsschule für ein ganzes Jahr an ein Gymnasium in Lausanne. Sie absolvieren dort den ganz normalen Unterricht. Voraussetzung ist aber, dass auch Schülerinnen und Schüler aus Lausanne nach Schaffhausen wechseln.
Die Grundlagen- und die Wahlfächer werden in Lausanne grundsätzlich weitergeführt. Alle Noten aus Lausanne werden übernommen, so dass – wenn nicht etwas anderes dazwischen kommt – die Matur zusammen mit der Stammklasse in Schaffhausen abgelegt werden kann. Die Maturaarbeit muss allerdings zwingend auf Französisch geschrieben werden – in welchem Fach ist aber offen.


**Immersion Geschichte in Englisch gemeistert**

«Nein, im Fach Geschichte ist die Sprache kaum ein Problem – man findet den Anschluss rasch wieder, auch wenn man einmal ein Wort nicht versteht» – so und ähnlich die Antworten auf die Frage, wie schwierig es sei, dem Geschichtsunterrricht in Englisch zu folgen.
Und in der Tat, wenn man den Schülerinnen und Schülern von Hans-Rudolf Dütsch zuhört, wie sie das ungemein komplexe Thema «Konzentrationslager Auschwitz» diskutieren, kommt man zur Ansicht: «Das kann doch gar nicht so schwierig sein.» Insbesondere in der zweiten Lektion, als drei Kurzvorträge zu verschiedenen Aspekten gehalten werden, muss man dann aber als Zuhörer verflixt gut aufpassen, um immer alles mitzubekommen und zu verstehen, worum es im Detail geht. Dass dann, wenn Zusatzfragen gestellt werden, sowohl Fragende wie Antwortende manchmal nach Begriffen suchen müssen, erinnert einen aber dann wieder daran, dass hier ja im Rahmen der Immersionsmethode ein ganzes Fach in Englisch absolviert wird und das für die Schaffhauser Schülerinnen und Schüler ja eine Fremdsprache ist. Dass Hans-Rudolf Dütsch, der als Jugendlicher drei Jahre in den USA gelebt und nun als Vorbereitung noch das «Proficieny» in England abgelegt hat, selber nicht nur sehr gut Englisch spricht, sondern manchmal fast unmerklich ein wenig hilft, erleichtert die Sache natürlich. Dütsch ist übrigens von der Immersionsmethode begeistert und hat festgestellt, dass die Beteiligung am Unterricht eher stärker ist als in der Muttersprache. Dass er viele Unterlagen für den Unterricht nun doppelt, weil in zwei Sprachen, erstellen muss, nimmt er denn auch ohne Murren in Kauf.

**Den Faden wieder finden**
Noch etwas haben übrigens die Schüler festgestellt: «In Mathematik und Physik ist, vor allem an Anfang, der Unterricht nicht so einfach. Verpasst man den Anschluss, weil man einen Begriff nicht versteht, ist es schwieriger den Faden wieder zu finden.»

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18. Februar 2009 | 1. Berner Stamm 2009

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16. Januar 2009 | Leistung und Motivation sind nötig

Schaffhauser Nachrichten, Inland
(wic.)

Stimmen schon im Gymnasium die Leistungen und fallen die Noten entsprechend aus, so stehen die Chancen gut, im ETH-Grundstudium den nötigen Notendurchschnitt zu erreichen, um das gewählte Fach erfolgreich zu absolvieren. Dieses Ergebnis zeigt eine Untersuchung bei 5216 ETH-Studierenden. Die Studie beschränkte sich jedoch nicht auf die Ergebnisse der ersten Basisprüfung – früher das Vordiplom –, sondern die ETH wertete auch die Maturanoten der Studierenden aus.
Die Basisprüfung gilt als eine der ersten wichtigen Hürden in der akademischen Laufbahn. Wie Professor Heidi Wunderli-Allenspach, derzeit Rektorin der ETH, gestern den «Schaffhauser Nachrichten» sagte, schaffen in der Regel bis zu 75 Prozent die Prüfung, wenn auch viele erst im zweiten Anlauf. Danach sind es nur noch etwa sechs Prozent, die nicht bis zum Schluss durchhalten. Sie ist sich jedoch bewusst, dass zahlreiche Maturi schon gar nicht zur Basisprüfung antreten, sondern sich in der Zeit anders orientieren, was für sie aber ebenfalls eine wichtige Erfahrung darstelle.

**Schaffhausen steht gut da**
Untersucht während vier Jahren wurden Mittelschulen, aus denen sich mindestens 30 Maturi für ein ETH-Studium eingeschrieben hatten; zu den 60 Gymnasien gehört auch die Kantonsschule Schaffhausen. Spitzen- reiter ist die Winterthurer Kantonsschule Rychenberg vor dem Gymnasium Liestal BL. Das Ende der Liste bilden das Gymnasium Immensee SZ und die Kantonsschule von Bellinzona. Schaffhausen klassierte sich hier auf Platz 18. Doch Wunderli-Allenspach will aus der Aufstellung explizit kein Ranking der Schweizer Mittelschulen ableiten. Zu gross seien die Unterschiede, etwa Kurz- oder Langzeitgymnasium, Maturandenquoten in den Kantonen oder Sprachregionen. Sie lobt vielmehr die Vielfalt im Rahmen des Maturitätsanerkennungsreglements (MAR). Dennoch gebe die Aufstellung den Schulen Hinweise zur Schärfung ihrer Profile.

**Griechisch/Latein kein Hindernis**
Laut Wunderli-Allenspach bietet eine gute Maturanote signifikant bessere Chancen, die erste grosse Prüfungshürde an der ETH zu bewältigen. Bei den Maturatypen kommt die Studie zu einem überraschenden Fazit: Wenn Studierende in der Mittelschule als Schwerpunktfächer Latein/Griechisch gewählt hatten, standen sie jenen, die eine mathematisch-naturwissenschaftlich orientierte Matur abgelegt hatten, bei den ETH-Basisprüfungen in nichts nach und erreichten mit ihnen gar die besten Noten. Dagegen fielen Maturanden mit Schwerpunktfächern Wirtschaft/ Recht klar ab. Wunderli-Allenspach schliesst daraus: «Wer als Altsprachler ein ETH-Studium absolvieren will, ist diszipliniert und motiviert.» Zu- dem schafften sie es, allfällige Wissenslücken im mathematischen Bereich nach Studienbeginn schnell zu schliessen.

**Möglichst früh studieren**
Es gebe also keinen Königsweg für ein erfolgreiches ETH-Studium. Das Resultat der Studie zeigt laut Wunderli-Allenspach vielmehr, dass man mit unterschiedlichen Maturatypen zum Erfolg kommt. Ein erstaunliches Ergebnis förderte die Expertise jedoch zutage, nämlich, dass die besten Leistungen 18- bis 20-Jährige zeigten. Deutlich schwächere ETH-Noten erzielten hingegen Studienanfänger, die sich mit 21 Jahren einschrieben. Für die ETH-Rektorin ist dies ein Hinweis darauf, dass erfolgreicher ist, wer das Studium nach der Matur schnell in Angriff nimmt.

**Nachgefragt**

**«Wir sind auf dem richtigen Weg»**

Für Urs Saxer, den Rektor der Kantonsschule Schaffhausen, liefern die Resultate der ETH-Untersuchung eine Bestätigung der guten Arbeit, die an der Kanti geleistet wird. Dennoch ortet er Verbesserungsmöglichkeiten.

*Im Vergleich der durchschnittlichen Basisnoten belegt die Kantonsschule Schaffhausen den 18. Platz von 62 untersuchten Gymnasien. Sind Sie mit dem Ergebnis zufrieden?*
Urs Saxer: Im Grundsatz ja. Die Resultate bestätigen, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Man muss aber bedenken, dass es in der Untersuchung nicht darum ging, ein Ranking unter den Schulen zu erstellen. Stattdessen wurde aufgezeigt, wo die Mittelschulen gewisse Kompetenzen noch stärker fördern können.

*Wo sehen Sie Verbesserungspotential?*
Die Studie der ETH zeigt, dass auch im naturwissenschaftlichen Bereich die Sprachbeherrschung äusserst wichtig ist. Darum werden wir auch in Zukunft in allen Schwerpunkt- und Ergänzungsfächern ein grosses Augenmerk auf die Sprache legen. Zudem suchen wir den Kontakt zu den Hochschulen, um unser Ausbildungsangebot verstärkt auf die Anforderungen der Universitäten auszurichten. Aus diesem Grund rekrutieren wir derzeit rund die Hälfte unserer Maturitätsexperten unter den Hochschuldozenten.

Adrian Schumacher

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8. Januar 2009 | Bsetzistei

Schaffhauser AZ, Notizen
(R. U.)

Die Medienkonferenz der Jusos und Jungfreisinnigen sollte ursprünglich im «Fahnenzimmer» der Kantonsschulverbindung Scaphusia im Restaurant Falken über die Bühne gehen. Sie wurde aber kurzfristig in den kleinen Saal verschoben. Das wusste der azBerichterstatter aber nicht, weshalb er sich in besagtes Fahnenzimmer verirrte. Dort wurde ihm der Grund für den Ortswechsel schlagartig klar: Der Raum war vollkommen verwüstet, überall standen und lagen teils halb gefüllte, teils geleerte, und auch zerschlagene Gläser und jede Menge Unrat herum. Da scheint die Aktion der Jungparteiler doch viel mehr Sinn zu machen, als dem organisierten Trinken zu frönen.


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Bsetzistei, Schaffhauser AZ
Mitteilungen | Notizen zu Namen | 15. Januar 2009