Trotten: Alte Zeugen der Vergangenheit

Schaffhauser Nachrichten
Hans Ulrich Wipf, Stadtarchivar

Die früheste Erwähnung einer Trotte in Schaffhausen stammt anscheinend aus dem Jahre 1323: In einer im Stadtarchiv verwahrten Urkunde ist von der im Gebiete des heutigen Posthofes gelegenen Spital-Trotte an der «Ringmur» die Rede. Der Begriff «Trotte» leitet sich eigentlich vom althochdeutschen Verb trotton (treten) her und weist — wie auch der Name «Kelter» (lateinisch calcare=treten) — unmissverständlich darauf hin, dass hier der Wein ursprünglich durch Treten (mit blossen Füssen) ausgepresst worden ist. Noch um 1470 wird in Schaffhausen bei der Festsetzung des Wimmerlohnes durch den Rat jeweils auch die Entschädigung für den «Trätter» (Traubentreter) angeführt. Mehr und mehr aber setzten sich bei uns — im Unterschied zu südlichen Ländern — die sogenannten Baumtrotten durch, in denen der Wein mittels Drucken gewonnen wurde.

**Ein gewaltiges Balkwerk**
Einrichtung und Betrieb einer solchen Trotte hat der Schleitheimer Lehrer und Heimatforscher Anton Pletscher in einer 1908 erschienenen Arbeit über frühere Sitten und Gebräuche in seinem Dorfe sehr anschaulich beschrieben: «Eine Baumtrotte alter Zeit war ein gewaltiges Balkwerk. Sie bestand aus vier Ecksäulen aus Eichenholz, welche bis nahe an die Decke reichten. Sie waren untereinander durch ein Kreuz- und Quergebälk verbunden. Auf diesem Gebälk lag das von Brettern eingefasste Trottbett. In halber Manneshöhe über demselben befand sich der aus zwei gezimmerten Eichenstämmen bestehende Trottbaum. Auf der einen Seite war er mit zwei starken Pfosten so verbunden und verkeilt, dass er sich auf- und abwärts bewegen liess. Auf der andern Seite lag er auf dem Querbalken des vordem Säulenpaares, dem sogenannten Esel. Der Trottbaum endigte in einer Gabel, deren Enden durch einen Querbalken verbunden waren. In den Schraubengängen dieses Balkens bewegte sich der dritte, wichtige Teil der Trotte, die Spindel mit ihrem Steingewicht.

**Drehung zog den Trottbaum herab**
Auf eine vom Trottknecht kommandierte Spindeldrehung hob sich der Trottbaum ein wenig, dass der Esel weggenommen werden konnte. Auf eine zweite, entgegengesetzte Drehung senkte er sich auf die ‚Ladung‘, mit welcher die das ‚Trast‘ bedeckenden Bretter beladen wurden. Die Ladung bestand aus grössern und kleinern Klötzen, ‚Schieben‘ genannt, welche an 3 Stellen, an beiden Enden und in der Mitte des Trottbrettes bis unter den Trottbaum hinauf gelegt, geschoben wurden.
War die Ladung gemacht und die letzten kleinen Schieben unter den Trottbaum geschoben und eingezwängt, so begann der Druck. Die lange, hölzerne Spindel war unten mit einem in die Erde versenkten ‚Schragen‘ drehbar verbunden. Der Schragen trug 2 Mühlsteinstücke, welche einen viereckigen Stein vorstellten mit etwa 30 Zentner Gewicht.
Durch die Spindel gingen kreuzweise zwei kurze Stangen, welche als Handhaben beim Drehen der Spindel dienten. Die Drehung von links nach rechts zog den Trottbaum herab. Er drückte auf die Ladung von Balken, mit welcher das von Brettern bedeckte Traubentrast bedeckt war, und presste den Saft heraus. Dieser floss in die unterstellte grosse Trottenstande (Rennstande). Die Drehung wurde fortgesetzt, bis sich der Schragen mit dem Stein hob und den Druck auf das Trast erhöhte. In dieser pressenden Lage liess man Trottbaum und Spindel ruhen und fortwirken, bis kein Wein mehr abfloss. Dann wurde die Spindel von rechts nach links gedreht, der Trottbaum ging in die Höhe, und der Druck hörte auf… Die Ladung wurde nun bei Seite gelegt, das Trast gehauen, d.h. dessen Ränder mit einem Breitbeil beschnitten und die abgeschnittenen Stücke wieder neuerdings aufgeschüttet, und darauf das Trast wieder beladen und die Pressung erneuert, bis es trocken war. Aus dem Trester, d.h. dem völlig ausgepressten Trast, wurde dann der Tresterbranntwein gewonnen.»

**Viel Eichenholz war notwendig**
Die Einrichtung und der Unterhalt solcher Baumtrotten erforderten selbstverständlich stets ein recht ansehnliches Quantum an Eichenholz, das meist aus den obrigkeitlichen Wäldern stammte und den Bauwilligen auf ihr Gesuch hin jeweils «in Gnaden verehrt» wurde. Die Ratsprotokolle enthalten zahlreiche Beispiele derartiger Holzvergabungen, die allerdings mit der Zeit, als die Ansprüche immer grösser wurden, durch strengere Ueberprüfung ganz wesentlich eingeschränkt werden mussten. Erbauer und Eigentümer der Trotten waren ursprünglich in erster Linie die Klöster und milden Stiftungen, denen sich hier natürlich auch die beste Möglichkeit bot, Qualität und Zehntabgabe durch einen Trottmeister kontrollieren zu lassen. Jeder Besitzer eines Weingartens konnte nämlich durch Trottzwang verpflichtet werden, seine Trauben in der ihm angewiesenen Trotte abzuladen.

**Handel mit Trotteechten**
In späteren Jahrhunderten, als sich mehr und mehr auch Private ihre eigenen Trotten bauten, gestalten sich dann die Eigentumsverhältnisse freilich um einiges unübersichtlicher, indem mit Trottrechten nun ständig gehandelt wurde, wobei diese auch geteilt werden konnten, so dass nicht selten halbe, Drittels- und Viertels-Anteile die Hand wechselten. Im Stadtarchiv werden gegenwärtig die als Quelle für die Besitzergeschichte von Liegenschaften höchst bedeutsamen Fertigungsbücher — insgesamt 112 Bände — mittels detaillierter Karteien erschlossen, wobei für die bisher bearbeiteten Jahre 1598—1697 bereits 309 Belege von Trotten vorliegen, in denen diese Aufteilung yon Trottrechten denkbar gut fassbar wird. Ausserdem lässt sich hieraus anhand der beigefügten Flurnamen auch die Ausdehnung des einstigen Rebareals recht deutlich ablesen. Die genaue Lokalisierung der einzelnen Bauwerke allerdings, die zum Teil eigene Namen wie «Schwarzacher Trotte» (Urwerf), «Roten Trotte» (Lochstrasse), «Käsetrotte» (Buchthaien) oder «das liebe Tröttli» (Windegg) trugen, dürfte im nachhinein doch wohl gelegentlich auf Schwierigkeiten stossen.

**74 Trotten aufgezählt**
Erfreulich präzise Angaben besitzen wir aus den Quellen sodann auch über die Zahl der Trotten, die Schaffhausen früher umgaben: In einer noch erhaltenen Fuhrlohn-Liste aus dem Jahre 1482 (publiziert im «Neujahrsblatt der Naturforschenden Gesellschaft Schaffhausen» 1955) werden erstaunlicherweise auf Stadtgebiet nicht weniger als 74 Trotten aufgezählt. Noch verwunderlicher aber mag heute die Tatsache erscheinen, dass dieser umfangreiche Bestand bis ins letzte Jahrhundert hinein praktisch konstant geblieben ist. Der Brandkataster von 1817 führt nämlich noch immer 70 verschiedene Trotten an, darunter beispielsweise allein 16 im Gebiet Hochstrasse—Geissberg—Spiegelgut, 13 am Heerenberg/Rheinhalde, je sechs auf dem Emmersberg und in den Gruben, fünf im Hohlenbaum und vier im Mühlental.

**Geschichte: Kaum erforscht**
Die Geschichte der einzelnen Trotten ist bis anhin — wohl nicht zuletzt der komplizierten Quellenlage wegen — noch kaum erforscht worden. Ueber die eingangs erwähnte Paradiesertrotte etwa wissen wir lediglich, dass sie bereits in einer Fertigung vom 19. Februar 1613 als «Baradyser Ampts Trotten» genannt wird und dass sie im 19. Jahrhundert dann im Besitze der Familie Ziegler stand, was im auch die jetzt vorgefundenen Wandinschriften mit den Namen der einzelnen Fass-Eigentümer bestätigen.

**Schon 1644 zu sehen**
Die Trotte an der Ecke Buchthalerstrasse/ Kegelgässchen, ein markantes Gebäude mit aufgebautem «Zimmer», ist — ohne dass wir auch hier das genaue Entstehungsdatum kennen würden — immerhin schon auf einer Stadtansicht von 1644 deutlich sichtbar wiedergegeben. Möglicherweise handelt es sich bei dieser Baute, deren Inneres noch heute einen mächtigen Trottbaum mit der Jahrzähl 1711 birgt, um die in den Akten mehrmals erwähnte, an das «Kegenengässli» anstossende «Schupfer-Trotte».

**Sorge ist angezeigt**
Eine weitere, oben am Kegelgässchen befindliche Trotte stand 1817 bereits leer; sie ist wie die meisten anderen Bauwerke ihrer Art in der Zwischenzeit längst abgegangen. Um so mehr gilt es deshalb den letzten baulichen Ueberbleibseln aus einer traditionsreichen Schaffhauser Weinbau-Vergangenheit fortab Sorge zu tragen.



Die Trotte am untern Ende des Kegelgässchens ist vom Zerfall bedroht. Man prüft nun die notwendigen Sanierungsmassnahmen.



Eine der prachtvollsten Trotten auf Stadtgebiet steht unmittelbar an der Landesgrenze. Die sogenannte Römertrotte liegt nördlich der Strasse vom «Freien» nach Büsingen und steht im Eigentum der Stadt Schaffhausen.