#Allgemeines

30. Dezember 2011 | «Tor zu Thurauen»: Erste Bilanz

Schaffhauser Nachrichten, Weinland
M. G.

Bundesrätin Doris Leuthard und der Zürcher Regierungsrat Markus Kägi haben am 20. August mit Hunderten Gästen den Abschluss der ersten Etappe des Grossprojektes «Hochwasserschutz und Auenlandschaft Thurmündung» und die Eröffnung des Naturzentrums Thurauen in der Steubisallmend bei Flaach gefeiert. Im Rahmen des Projekts hat der Kanton Zürich in den letzten drei Jahren das Ufer der Thur renaturiert und rund die Hälfte der veranschlagten 54 Millionen für diese letzte Etappe, die «Königsetappe» der gesamten Renaturierungsmassnahmen entlang der Thur, verbaut. Herzstück des neuen Flaacher Erholungsmekkas ist das Naturzentrum Thurauen: Als Schmelztiegel für Wissensdurstige, Erholungsuchende und Naturliebhaber, die sich das Auengebiet erklären lassen wollen, bietet die Ausstellung viel Anschauungsunterricht.
Erfolg ist den Betreibern des Naturzentrums, sprich: der interaktiven Ausstellung, des Lehrpfads und des neuen Restaurants Rübis & Stübis, beschieden. Laut der Stiftung PanEco sind bislang 7000 Besucher in die Thurauen gekommen, davon 5200 in die Ausstellung, darunter Schulklassen, Firmen-, Behörden- und Fachgruppen – etwa Wasserbaufachleute und Ingenieure, aber auch Familien und Rentner. «Es kamen mehr, als wir erwartet hatten. Längerfristig rechneten wir mit zwischen 6000 und 10 000 Besuchern pro Jahr», sagt Kaspar Hitz, Geschäftsführer der Stiftung PanEco. Dies, obwohl die Saison erst im August begann. Nun müsse die Zukunft weisen, ob es sich um einen Anfangsansturm gehandelt habe, der mit dem Auftritt der Bundesrätin an der Eröffnung Momentum erhalten habe. Doch mit zukünftig 10 000 Gästen wäre er zufrieden. Denn zu viele Kunden würden auch das Personal – etwa bei den Führungen – an seine Grenzen bringen. «Wachstum um jeden Preis ist daher nicht gesund. Lieber 10 000 statt 15 000 Kunden, dafür werden diese gut betreut», sagt Hitz. Auf eine treue Stammkundschaft, vorab aus dem Weinland, könne er aber jetzt schon zählen. Viele besuchen wandernd die Thurauen, andere nur das Naturzentrum, welches gemäss Leistungsauftrag als «Tor zu den Thurauen» den sanften Tourismus pflegt. Seit Kurzem teilen sich auch drei Personen die Ranger-Aufgaben. Das Restaurant bietet ausschliesslich Gerichte aus saisonalen Ingredienzen aus der Region oder zumindest der Schweiz an. Die Öffnungszeiten des Naturzentrums seien mehrmals ausgedehnt worden – ein weiterer Erfolgsindikator: Das Zentrum mit der Ausstellung war etwa im Winter viel öfter als einen Sonntag im Monat – die Minimalvorgabe vom Kanton – geöffnet. Das Restaurant muss unterschiedliche Kundengruppen bedienen und hat daher auch zwei Betriebsmodi entwickelt. Im Sommerhalbjahr sorgten das Naturzentrum, der benachbarte Campingplatz und das Schwimmbad für Massenkundschaft. Im Winter würden eher Gruppen bedient im Rahmen von Tagungen (Anlassgeschäfte).

#Allgemeines

27. Dezember 2011 | Öko statt Bier auf dem Cardinal-Areal

Schaffhauser Nachrichten, Wirtschaft
Raphael Corneo

Den Kanton Freiburg hat man bisher eher weniger mit Cleantech und Innovationen in Verbindung gebracht. Doch das soll sich nun ändern. Mitten in Freiburg auf dem ehemaligen Cardinal-Gelände soll ein Innovationspark entstehen. Das Bauvorhaben soll zum Leuchtturmprojekt werden und über die Kantonsgrenzen hinweg leuchten.
Im Sommer 2010 hat der dänische Bierkonzern Carlsberg beschlossen, den Produktionsstandort in Freiburg zu schliessen. Seit Juli dieses Jahres wird das Bier nicht mehr in Freiburg, sondern bei der Carlsberg-Tochter Feldschlösschen in Rheinfelden gebraut. «Der Entscheid von Carlsberg, den Standort zu schliessen, war für den Kanton und die Stadt eine Tragödie. Nun haben wir daraus eine Chance gemacht», sagt Beat Vonlanthen, Staatsrat und Volkswirtschaftsdirektor des Kantons Freiburg. Ab Ende 2013 sollen im Cardinal-Innovationspark mehrere Hundert Arbeitsplätze geschaffen werden. «Wir wollen den ersten Innovationspark der Schweiz bauen, der vollständig emissionsfrei ist», sagt Vonlanthen.

Das Projekt nimmt Formen an
Das ist auch deshalb eine grosse Herausforderung, weil beim Bau des Parks einige Gebäude erhalten werden sollen. Auch diese müssen CO2-frei werden. «Wir sind uns bewusst, dass es nicht einfach wird. Trotzdem sind wir aber überzeugt, dass es keine Illusion ist und wir es schaffen können», sagt Vonlanthen. Wer genau auf dem Areal einziehen wird, ist noch nicht klar. «Die Mieter werden ausgewählt. Dabei liegt unser Augenmerk vor allem auf Unternehmen aus dem Bereich nachhaltige Entwicklung», sagt Vonlanthen. Doch auch Restaurants und ein Cardinal- Museum sollen auf dem Areal entstehen. Das Besondere an dem Park wird zudem sein, dass er mitten in der Stadt Freiburg steht und auch mit dem öffentlichen Verkehr gut erreichbar ist. Für die Umsetzung des Projekts hat man sich einen ehrgeizigen Zeitplan gesetzt. Anfang Dezember wurde ein Ideenwettbewerb lanciert, der noch bis Februar 2012 dauern wird. Nächstes Jahr soll dann der Architekturwettbewerb stattfinden und schon 2013 mit dem Bau begonnen werden. «Bei einem Projekt wie diesem ist es wichtig, dass von Anfang an alle Akteure bei der Planung miteinbezogen werden», sagt Emmanuel Rey, Professor für nachhaltiges Bauen an der ETH Lausanne. Dabei müssen auch die Hochschulen eine grosse Rolle übernehmen und können bei der Planung miteinbezogen werden. Rey und weitere Forscher der ETH Lausanne haben bei der Entwicklung des Ökoquartiers rund um den Bahnhof Neuenburg mitgeholfen, zu dem auch das neue Gebäude des Bundesamtes für Statistik gehört.

Weitere Parks sind geplant
Doch der Technologiepark auf dem Cardinal-Areal ist nur eines der Innovationsprojekte im Kanton Freiburg. «In der Schweiz sind momentan 20 Ökoquartiere geplant. Allein vier davon in unserem Kanton», sagt Vonlanthen stolz. Neben dem Cardinal-Park sollen auch in Bulle, in Romont und in Villaz-St-Pierre Ökoquartiere entstehen. «In Bulle soll ein CO2-neutrales Quartier mit Wohnungen, einem Hotel, Geschäften und einem Freizeitkomplex entstehen», erklärt Michel Cailleau, Projektträger der Ökoquartiere in Bulle und in Romont sowie Verwaltungsratspräsident des Immobilienentwicklers Abadia. Das Quartier in Bulle entsteht auf dem Areal einer ehemaligen Kaserne, das in Romont in der ehemaligen Industriezone «En Raboud». «Dabei wollen wir nicht nur mit Architekten, sondern auch mit Soziologen und den Bürgern selber zusammenarbeiten», sagt Cailleau. Auch Thierry Dewarrat, Direktor der EnergieConcept S. A., die das Mandat für die energietechnische Begleitung der Projekte hat, ist überzeugt, dass das wichtig ist: «Ökoquartiere brauchen bewusste Nutzer, die geschult werden müssen», sagt er. Dem soll nicht nur bei dem Projekt in Bulle, sondern auch bei dem in Romont Beachtung geschenkt werden.

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10. Dezember 2011 | Falken kann dem Gegenwind standhalten

Schaffhauser Nachrichten, Regionale Wirtschaft
Philipp Lenherr

In der Agenda vieler Aktionäre der hiesigen Brauerei hat die Generalversammlung im Dezember einen fixen Platz, gehört sozusagen zur Vorweihnachtszeit wie andere wiederkehrende Termine auch. 346 Aktionäre sind der Einladung zur Generalversammlung ins Park Casino in Schaffhausen gestern Abend gefolgt.
Was Verwaltungsratspräsident Jürg Spahn den Anwesenden zu Beginn der Versammlung zu sagen hatte, war zunächst wenig feierlich. Ausgehend von der Weltwirtschaftslage näherte er sich via dem globalen und dem nationalen Biermarkt dem eigentlichen Thema des Abends: der Brauerei Falken AG.
Die Schweizer Wirtschaft habe sich 2010 zwar schnell von der Krise erholt, sei aber ebenso schnell im Zuge der Frankenstärke und der Schuldenkrise wieder auf einen Abwärtspfad geraten, so der langjährige Verwaltungsratspräsident der Brauerei.
Der globale Biermarkt ist zwar einmal mehr gewachsen, allerdings in einer für kleine, unabhängige Brauerein unvorteilhaften Art: zulegen konnten vor allem die ganz grossen Bierkonzerne wie beispielsweise Anheuser-Busch.

**Schweizer Brauereien unter Druck**
Auch auf dem Schweizer Biermarkt hat sich die Dominanz der internationalen Konzerne einmal mehr bemerkbar gemacht: Der inländische Biermarkt ist zwar um bescheidene 0,7 Prozent gewachsen, die inländische Produktion jedoch um 1,1 Prozent gesunken. Der Marktanteil von Importbier ist auf 22,9 Prozent gestiegen. Eine weitere, anhaltende Tendenz sieht Spahn in der anhaltenden Verlagerung von den Gaststätten zum Detailhandel. Dieser Entwicklung Vorschub geleistet haben dürften die Folgen des schweizweiten Rauchverbots in Gastronomiebetrieben. Für zusätzlichen Druck sorgte schliesslich die Frankenstärke, die gerade in einer Grenzregion wie Schaffhausen den Einkaufstourismus gefördert hat. «Auch in der Brauerei Falken hat der Import von Billigbier und die Frankenstärke spuren hinterlassen», so Spahns Fazit. Dass das Vorjahresergebnis gehalten werde konnte, sei deshalb als Erfolg zu werten. Geschäftsführer Markus Höfler belegte Spahns Ausführungen mit weiteren Zahlen, und zeigte sich überzeugt, dass die Schaffhauser Brauerei mit ihrer Strategie auf dem richtigen Weg sei. «Regionalität, Tradition und Swissness sind in», so Höfler. Weil aber im Schaffhauser Heimmarkt kaum mehr Wachstumschancen vorhanden seien, müssen solche weiterhin in Zürich gesucht werden, vorzugsweise in Zusammenarbeit mit renomierten Gastronomiebetrieben. Um den Entwicklungen im Schweizer Biermarkt Paroli zu bieten, habe die Brauerei im vergangenen Jahr Effizienz und Sicherheit gesteigert.

**Verwaltungsräte bestätigt**
Während Philipp Moersen, Vizepräsident des Verwaltungsrates, und Ronald Forster, Mitglied des Verwaltungsrates, für eine volle Amtsdauer von drei Jahren wieder gewählt wurden, wurde Präsident Jürg Spahn lediglich noch für ein Jahr gewählt. «Da die Altersgrenze bei 72 Jahren liegt, könnte auch ich mich nochmals für eine volle Amtsdauer wählen lassen», so der 69-Jährige. Weil er eine Verjüngung des Gremiums für angezeigt hält, verzichtete er jedoch darauf, und liess sich stattdessen für ein letztes Jahr im Amt bestätigen.
Wie üblich fasste Spahn schliesslich das vergangene Braujahr lyrisch zusammen und löste mit Versen wie «Gestern drehte man den Schalter von Zuppiger auf Walter» grosses Gelächter unter den Anwesenden aus. Ob dichterische Fähigkeiten auch zum Anforderungsprofil seines Nachfolgers gehören, blieb offen. Nächstes Jahr wird Spahn sie jedenfalls noch ein letztes Mal unter Beweis stellen können.


**Getroffen: Die Falken-GV ist ein wichtiger Treffpunkt für viele Schaffhauser und ist für eine sehr ausgelassene Stimmung bekannt**

*Thomas Minder*
hat bisher noch nie an der GV teilgenommen – dieses Jahr ist er eingeladen worden. «Produzierende Betriebe sind mir sympathisch, und Eigenständigkeit ist heute eine Leistung.» Mit der Brauerei sei er verbunden durch seine Mithilfe beim Bau einer Nische für Falken.

*Dario Zimmermann*
hat seinen Kollegen begleitet und nimmt zum ersten Mal am Anlass teil. Ihm sei aufgefallen, dass wenig junge Leute und kaum Frauen unter den Gästen seien: «Es wäre nicht schlecht, wenn man etwas junges Blut in die Aktiengesellschaft bringen könnte.»

*Susanne Sieber*
war schon 1998 dabei, als die GV noch in der Brauerei stattfand: «Damals hatte es neben mir nur zwei weitere Frauen.» Besonders gefreut hat sie sich auf das Gedicht: «Auch heute war es wieder super und sehr aktuell. Nur Minder wurde darin nicht erwähnt.»

*Markus Müller, SVP-Kantonsrat*
ist zum dritten Mal hier und freut sich darauf, viele Bekannte zu treffen. «Das erste Mal war ich als Kantonsratspräsident eingeladen, dann bekam ich Freude daran und habe eine Aktie gekauft.» Nächstes Jahr wolle er seine Frau mitnehmen.

*Thomas Kunz*
ist in Schaffhausen aufgewachsen und wohnt ausserhalb. Er will Bekannte von früher wiedersehen: «Einige habe ich schon gesehen. Leider hat es keinen Platz mehr an ihrem Tisch – aber ich habe Zeit, mein Zug fährt erst um zwei, der letzte notfalls um drei Uhr.»


**Brauerei Falken AG Kennzahlen 2010/11**

10/11 09/10
Nettoerlöse 20,49 22,28
Jahresgewinn 0,329 0,331
Umlaufvermögen 6,18 6,39
Anlagevermögen 12,02 11,83
Fremdkapital 13,79 13,98
Eigenkapital 4,41 4,24
Rückstellungen 10,86 10
Flüssige Mittel 0,489 0,412
Personalaufwand 5,36 5,53
Dividende
pro Aktie (in Fr.)
50 50
#Allgemeines

6. Dezember 2011 | Ersatzwahl ins Kantonsgericht

Schaffhauser Nachrichten
von Erwin Künzi

06.12.2011
Kantonsgerichtswahl mit Nebengeräuschen
Die Ersatzwahl ins Kantonsgericht hat mit einer Überraschung geendet
von Erwin Künzi

Die Ersatzwahl ins Kantonsgericht, die durch den Wechsel von Annette Dolge an die Spitze des Obergerichts nötig geworden war, sorgte bereits im Vorfeld für Diskussionen. Der Grund: die Zusammensetzung der Wahlvorbereitungskommission. Diese besteht aus der Justizkommission des Kantonsrats, dem zuständigen Regierungsrat sowie vier Vertretern der Schaffhauser Justiz. Stimmberechtigt sind allerdings nur die Mitglieder der Justizkommission. So kam es denn, dass die Repräsentanten der Justiz sich geschlossen für Eva Bengtsson, Schreiberin am Obergericht, aussprachen, während die drei Mitglieder der Justizkommission, die an der Wahlsitzung teilnahmen, ebenso klar Marcus Andreas Textor favorisierten. Und da nur sie stimmberechtigt waren, wurde Textor offiziell dem Kantonsrat zur Wahl vorgeschlagen. Das empörte die Vertreter der Justiz, die ganze Sache wurde öffentlich, und es kam auch zu Filzvorwürfen (siehe SN vom 24. November).

Gespaltene Kommission
Auf diese Vorgeschichte ging Willi Josel (SVP, Neuhausen), der Präsident sowohl der Justizkommission wie der Wahlvorbereitungskommission, gestern ein. Er schilderte, wie es innerhalb der Kommission zu diesem Wahlvorschlag gekommen war. Er habe zweimal angesichts der gespaltenen Kommission und der Abwesenheit von zwei Kantonsräten versucht, den Entscheid zu verschieben, sei aber damit nicht durchgedrungen. Für die Zukunft wolle die Kommission eine Lösung für diesen Spagat suchen und diese dem Kantonsrat unterbreiten. Als erster Fraktionssprecher erklärte Heinz Brütsch (FDP, Büttenhardt), Textor wie Bengtsson seien zu einem Gespräch eingeladen worden, und die Mehrheit der Fraktion habe sich für Textor ausgesprochen. Dass die Profis der Justiz für Bengtsson, die Kommission aber für Textor gewesen sei, sei unschön, aber zu akzeptieren, meinte Werner Bächtold (SP, Schaffhausen). Was nicht gehe, sei, dass Medienschaffende von Mitgliedern der Wahlvorbereitungskommission informiert worden seien. Es gehe auch nicht an, dass die Justiz einen solch starken Druck auf die Kommission ausübe. Für die Zukunft forderte Bächtold, dass die Kommission immer in Vollbesetzung tagen müsse, und der Kommissionsbericht müsse ausführlicher sein. Auch die SP/AL-Fraktion hörte beide an und sprach sich für Bengtsson aus, weil der zu wählende Richter es vor allem mit Familienrecht zu tun bekomme. Das gleiche Argument gab auch bei der ÖBS/EVP-Fraktion den Ausschlag, wie Bernhard Egli (ÖBS, Schaffhausen) erklärte. In der Folge wurde Eva Bengtsson mit 29 Stimmen vor Marcus Andreas Textor mit 25 Stimmen gewählt. Daraufhin ergriff Willi Josel nochmals das Wort: Bei dieser Wahl seien das Amtsgeheimnis mehrfach sowie die Gewaltenteilung verletzt worden. Die Justizkommission werde jetzt alle Beteiligten befragen und erwarte von denjenigen, die das Amtsgeheimnis verletzt haben, dass sie ihren Rücktritt aus der Wahlvorbereitungskommission erklären.


26.11.2011
Leider nur gut gemeint
von Erwin Künzi

Es war, wie so oft im Leben, gut gemeint: Bei der Vorbereitung der Wahlen von Justizpersonal wie Richtern und Staatsanwälten sollte die Justiz bereits frühzeitig mit einbezogen werden. Neu sollte nicht mehr die aus fünf Mitgliedern des Kantonsrats bestehende Justizkommission allein dem Parlament Wahlvorschläge unterbreiten, sondern eine Wahlvorbereitungskommission, der auch Vertreter der Schaffhauser Justiz angehören. Stimmberechtigt würden aber allein die Parlamentarier sein. Im ersten Umgang funktionierte das einigermassen gut, jetzt ist es zum Krach gekommen (siehe SN vom 24. November), als die Kantonsräte sich bei der Ersatzwahl ins Kantonsgericht für einen Kandidaten aussprachen, die Justizvertreter dezidiert anderer Meinung waren und am Schluss die Politiker entschieden.
Es konnte wenig verwundern, dass in dieser Situation bald einmal Filzvorwürfe auftauchten. Aber: Wir sind in Schaffhausen, wo «ein dä ander kännt», wie es im bekannten Lied von Dieter Wiesmann heisst. Da kommt es unweigerlich zu engeren Kontakten, und der Grat zwischen dem, was der eine für Verfilzung hält und der andere einfach für eine gute Vernetzung, ist sehr schmal. In diesem Fall scheint das Problem aber anderswo zu liegen: In dieser Wahlvorbereitungskommission dürfen die einen – die Politiker – entscheiden, die anderen – die Justizvertreter – aber nur mitreden. So will es die Gewaltentrennung. Wäre es da nicht ehrlicher, wieder zum alten System mit klaren Fronten zurückzukehren? Im Klartext: Die Justizkommission alleine, also die Kantonsräte, schlägt das zu wählende Justizpersonal vor. Bei der Vorbereitung dieser Vorschläge konsultiert sie, falls nötig, die Vertreter der Justiz und lässt deren Hinweise bei Bedarf in ihre Wahlempfehlung einfliessen.


24.11.2011
Umstrittene Wahl in das Kantonsgericht
Am 5. Dezember nimmt der Kantonsrat eine Ersatzwahl ins Kantonsgericht vor. Umstritten sind dabei nicht die Kandidierenden, sondern die Rolle der Wahlvorbereitungskommission
von Erwin Künzi

Am 1. April 2012 tritt Annette Dolge die Nachfolge von Obergerichtspräsident David Werner an. Damit wurde das Amt als Kammervorsitzende des Kantonsgerichts, das sie zurzeit innehat, frei. Das Kantonsgericht wählte am 9. September aus seiner Mitte Kantonsrichter Markus Kübler zum neuen Kammervorsitzenden. Das wiederum hiess, dass ein neuer Kantonsrichter gebraucht wird, der das Amt von Markus Kübler übernimmt, und zwar ebenfalls auf den 1. April 2012. Gesucht war ein Kantonsrichter mit einem 50-Prozent-Pensum, der vom Kantonsrat gewählt werden muss. Und an diesem Punkt kam die Wahlvorbereitungskommission ins Spiel.
Diese Kommission ist, wenn man so will, ein Kind des neuen Justizgesetzes, das seit dem 1. Januar dieses Jahres in Kraft ist. Vorher machte die fünfköpfige Justizkommission des Kantonsrats dem Parlament Wahlvorschläge. Mit dem neuen Justizgesetz wurde aber eine spezielle Wahlvorbereitungskommission geschaffen, in der nicht nur die gesamte Justizkommission, sondern auch die Justiz vertreten ist (siehe Kasten auf dieser Seite). Die Idee dahinter war, die Justiz bereits frühzeitig bei der Wahl von neuen Richtern und Staatsanwälten mit einzubeziehen. Allerdings war für die Justizvertreter nur eine beratende Rolle vorgesehen; entscheiden, wer zur Wahl vorgeschlagen wird, dürfen nur die fünf Kantonsräte der Justizkommission. Der Artikel 3 des Justizgesetzes, der die rechtliche Grundlage für diese Wahlvorbereitungskommission bildet, wurde von der Regierung bereits am 1. Mai 2010 in Kraft gesetzt. Damit konnte die Kommission ihre Arbeit rechtzeitig aufnehmen und die Wahlvorschläge, die mit dem neuen Justizgesetz nötig wurden, ausarbeiten. Dieser erste Auftritt der Wahlvorbereitungskommission ging letztes Jahr ohne grössere Nebengeräusche über die Bühne. Jetzt, mit der anstehenden Ersatzwahl ins Kantonsgericht, musste sich diese Kommission zum ersten Mal im, wenn man so will, Alltag bewähren. Auf eine Ausschreibung hin meldeten sich für das Amt des Kantonsrichters 15 Personen, 5 wurden zu einer Anhörung eingeladen. Dabei stellte die Kommission fest, wie in ihrem Bericht nachzulesen ist, «dass alle 5 Personen, welche sich der Kommission vorgestellt haben, die Wahlvoraussetzungen erfüllen und grundsätzlich wählbar sind». Die Mitglieder der Kommission mussten anschliessend reihum erklären, wen sie dem Kantonsrat für die Wahl vorschlagen wollten. Und dabei kam es zum Eklat. Zuerst meldeten sich die vier Vertreter der Justiz. Sie sprachen sich alle eindeutig für Eva Bengtsson aus, zurzeit Schreiberin am Schaffhauser Obergericht. Anderer Meinung waren die drei Vertreter der Justizkommission (zwei konnten, zum Teil aus gesundheitlichen Gründen, nicht an der Sitzung teilnehmen): Sie empfahlen Marcus Andreas Textor, Anwalt bei einer Anwaltskanzlei in Zürich, zur Wahl. Und da nur sie stimmberechtigt waren, wurde Textor zum offiziellen Kandidaten bestimmt, was auch so kommuniziert wurde (siehe SN vom 8. November).

Helle Empörung
Bei den Vertretern der Justiz herrschte daraufhin helle Empörung. Sie hatten sich für Bengtsson ausgesprochen, weil diese von 2004 bis 2011 als Schreiberin am Kantonsgericht gearbeitet und in dieser Funktion über 100 Gerichtsentscheide formuliert hatte. Mit ihr würde das Kantonsgericht jemanden erhalten, der nicht nur das Gericht bestens kennt, sondern auch gut ins Team passen würde. «Textor ist gut, aber sie ist besser», meinte einer der Justizvertreter gegenüber den SN. Er und die anderen können nicht verstehen, warum man die Justizvertreter in die Kommission geholt hat, um dann doch gegen ihre geschlossene Meinung zu entscheiden. Prompt kamen Vermutungen auf, für den Wahlvorschlag ausschlaggebend gewesen seien die Parteizugehörigkeit von Textor (zwei Mitglieder der Justizkommission sind in der gleichen Partei wie er) sowie der Umstand, dass dieser, wie ein Mitglied der Justizkommission auch, früher einer bestimmten Kantonsschulverbindung angehört hat. Diese Unterstellungen weist der Präsident der Justizkommission, Kantonsrat Willi Josel (SVP, Neuhausen), entschieden zurück. «Es gab gute Gründe, die für Textor sprachen, dessen Fähigkeiten, das Richteramt zu versehen, übrigens niemand in Zweifel zog». erklärte er gegenüber den SN. Für Josel persönlich war die Tätigkeit Textors bei einer Anwaltskanzlei ein Pluspunkt: «Er musste sich dem rauen Wind der Privatwirtschaft aussetzen, und die Erfahrungen, die er dabei machte, kommen dem Gericht zugute.» Zudem sei Textor vom Kantonsrat bereits zum Ersatzrichter am Kantonsgericht gewählt worden, wo er seine Arbeit gut mache. Auf die einhellige Meinung der Justizvertreter angesprochen, meinte Josel: «Es gilt die Gewaltentrennung, aber natürlich nicht nur in eine Richtung. Und für die Richterwahl ist nun einmal die Politik zuständig, nicht die Justiz.» Der Kantonsrat wird an seiner Sitzung vom 5. Dezember als erstes Geschäft die Ersatzwahl ins Kantonsgericht vornehmen. Neben Textor, der von der Wahlvorbereitungskommission vorgeschlagen wird, hat auch Bengtsson ihre Kandidatur angemeldet.


Richterwahl. Die Fakten

Gesetzliche Grundlage
Justizgesetz, Artikel 3: «Dem Kantonsrat obliegende Wahlen bereitet eine Wahlvorbereitungskommission vor. Sie steht unter dem Vorsitz der Präsidentin oder des Präsidenten der Justizkommission und setzt sich aus folgenden Personen zusammen:
a.) Mitglieder der Justizkommission,
b.) Vorsteherin oder Vorsteher des zuständigen Departements,
c.) Vertretung des Obergerichts,
d.) Vertretung des Kantonsgerichts,
e.) Vertretung der Staatsanwaltschaft,
f.) Vertretung der Schaffhauser Anwaltskammer.
Sie unterbreitet dem Kantonsrat Wahlvorschläge. Die Mitglieder der Justizkommission sind stimmberechtigt.» Dieser Artikel wurde am 1. Mai 2010 von der Regierung in Kraft gesetzt.

Zusammensetzung
Die Wahlvorbereitungskommission setzt sich wie folgt zusammen: Justizkommission des Kantonsrats mit Willi Josel (SVP, Neuhausen), Präsident; Andreas Gnädinger (SVP, Schaffhausen), Vizepräsident; Florian Hotz (JFSH, Schaffhausen); Florian Keller (AL, Schaffhausen), Heinz Rether (ÖBS, Thayngen). Ernst Landolt, Regierungsrat. Justiz: David Werner, Präsident des Obergerichts; Werner Oechslin, Präsident des Kantonsgerichts; Peter Sticher, Erster Staatsanwalt; Jürg Uhlmann, Vertreter der Anwaltskammer. Stimmberechtigt sind nur die 5 Mitglieder der Justizkommission.

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17. November 2011 | Stadt hat «Tanne» übernommen

Schaffhauser Nachrichten, Stadt Schaffhausen
Robin Blanck

Seit dem letzten Freitag gehört die Liegenschaft Tanne 3 mit der traditionsreichen Weinstube der Stadt: Das kam nicht überraschend, sondern war schon länger mit der heute 93-jährigen Besitzerin Margrit Zimmermann so geplant (siehe dazu auch SN vom 8. März 2011). In den letzten 15 Jahren war das Lokal nur noch jeweils am Samstagmorgen für zwei Stunden geöffnet, eine kleine, aber konstante Gästeschar traf sich noch in der Weinstube. Seit März des Jahres entfielen auch diese Stunden, und das Lokal blieb geschlossen. Bereits 1998 wurde abgemacht, dass bei Geschäftsaufgabe die Stadt die Liegenschaft übernehmen wird. Im Gegenzug wurden zwei Dinge zugesichert: Einerseits soll die besondere Eigenart der Wirtschaft mit historischer Ausstattung erhalten werden, «soweit dies mit den gesetzlichen Bestimmungen und Auflagen in Einklang zu bringen ist», wie es in der gestern versandten Mitteilung heisst. Andererseits wurde vereinbart, dass Margrit Zimmermann statt eines einmaligen Kaufpreises für das Gebäude von der Stadt eine bescheidene Leibrente erhält.
Den Zeitpunkt der Übertragung konnte die Eigentümerin und Wirtin selber wählen. Bis vor Kurzem bewohnte Margrit Zimmermann, wie schon ihr ganzes Leben, das Haus an der Tanne; gesundheitliche Gründe legten aber einen Übertritt in ein städtisches Altersheim nahe. «Ihr geht es den Umständen entsprechend gut», sagt Baureferent Peter Käppler auf Anfrage der SN.

**Weder zugänglich machen**
Die Weinstube selbst ist derzeit geschlossen, «bei der Stadt besteht der feste Wille, dass man das Lokal künftig wieder der Öffentlichkeit zugänglich macht», sagt Käppler. In welcher Form das erfolgen soll, könne man heute noch nicht festlegen. Offen ist derzeit auch, wann das passieren soll, zumal erst noch Investitionen für einen Weiterbetrieb notwendig sind. Käppler: «Es handelt sich um ein Stück Schaffhauser Identität, mit dem wir sorgfältig umgehen wollen, deshalb soll zuerst eine saubere Analyse vorgenommen und dann – ohne Zeitdruck – dem Grossen Stadtrat eine Vorlage präsentiert werden.» Mit dem «Alten Emmersberg», dem Park Casino, dem «Alten Schützenhaus», dem «Kleinen Käfig» und dem Theaterrestaurant besitzt die Stadt bereits heute fünf Restaurationsbetriebe, die auch künftig weitergeführt werden sollen.

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17. November 2011 | Schweizer Brauereien weiter unter Druck

Schaffhauser Nachrichten, Regionale Wirtschaft
Philipp Lenherr

Fast 4,6 Millionen Hektoliter Bier sind im Braujahr 2010/11 in der Schweiz getrunken worden. Dies entspricht einem Zuwachs von 0,7 Prozent im Vergleich zum Vorjahr, wie der Schweizer Brauerei-Verband gestern mitteilte. Trotz diesem leichten Wachstum ist die Produktion der Schweizer Brauereien um 1,1 Prozent gesunken – die Bierimporte hingegen sind einmal mehr deutlich angestiegen, deren Marktanteil beträgt mittlerweile fast 23 Prozent. Mit Abstand am meisten Bier wird aus Deutschland importiert. Eine Entwicklung, die Schweizer Brauereien Sorgen bereitet. «Die stete Zunahme der Bierimporte stellt unsere schweizerische Braubranche vor Herausforderungen», so der Präsident des Schweizer Brauerei-Verbandes, Nationalrat Markus Zemp. Zu dieser Entwicklung beigetragen haben seiner Ansicht nach die Verschlechterung der Wirtschaftslage und der günstige Euro. Auch das Rauchverbot in Gaststätten, welches am 1. Mai 2010 in Kraft trat, habe sich ausgewirkt. Die Brauerei Falken konnte ihr Jahresergebnis in diesem anspruchsvollen Umfeld halten (siehe unten).

**Verlagerung zum Detailhandel**
Das neue, schweizweite Rauchverbot dürfte auch dazu beigetragen haben, dass die Verlagerung von der Gastronomie in den Detailhandel weiter angehalten hat. Als Indiz dafür sieht der Brauerei-Verband den hohen Anteil von Dosen und Einwegflaschen, welche die Gebinde der Importbiere dominieren. Wer sein Feierabendbier nicht an einem rauchfreien Stammtisch einnehmen will, tut dies offenbar vermehrt zu Hause in der guten Stube – mit Zigarette oder Stumpen, und im Glas perlt wohl auch öfter als in der Beiz ein Importbier.

**Markteingriffe befürchtet**
Neues Ungemach sehen die hiesigen Brauereien aus Bundesbern auf sich zukommen: Gesetzesvorhaben wie die Revision des Alkoholgesetzes könnten zu Eingriffen in die Markt- und Wirtschaftsfreiheit der Brauer führen, so die Befürchtung. Gegensteuer gibt der Verband mit einem kürzlich erstmals angelaufenen Ausbildungskurs zum Schweizer Bier-Sommelier, mit dem die Bierkompetenz in der Schweizer Gastronomie erhöht werden soll. Zudem findet am 19. April 2012 erstmals der «Tag des Schweizer Bieres» statt, an dem Schweizer Bierkultur und Brauereitradition erlebbar sein sollen.


**Brauerei Falken In schwierigem Umfeld das Ergebnis gehalten**

Die Brauerei Falken AG weist für 2010/2011 einen Jahresgewinn von rund 329 000 Franken aus, wie der gestern veröffentlichten Einladung zur Generalversammlung der Aktionäre zu entnehmen ist. Damit konnte die hiesige Brauerei das Vorjahresergebnis trotz verschiedenen negativen Einflüssen auf dem Vorjahresniveau halten. «Auch wir haben natürlich unter der Frankenstärke und dem Import von Billigbier gelitten», sagt Geschäftsführer Markus Höfler auf Anfrage. Angesichts des harten Umfelds sei dies ein positives Ergebnis.

**Strategie beibehalten**
«Wir halten an unserer Strategie fest, wir wollen uns nicht über einen tiefen Preis profilieren. Stattdessen setzen wir auf Qualität und Dienstleistungen», so Höfler weiter. Auch an der hauptsächlichen Ausrichtung auf die Region soll sich nichts ändern. Neben den Bierimporten des Handels bekommt die Falken-Brauerei auch den Einkaufstourismus zu spüren, der statistisch nicht erfasst wird. «Dem gegenüber stehen aber eine grosse Loyalität der Schaffhauser zu regionalen Produkten sowie eine überdurchschnittliche Dichte gastronomischer Betriebe auf hohem Niveau», sagt Markus Höfler. (ple)

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10. November 2011 | Sex ist kein Tabuthema im Unterricht

Schaffhauser Nachrichten, Region
Silvia Krauer

Ende Oktober musste ein Gymnasiallehrer aus Zürich vor dem Bezirksgericht erscheinen, weil er seinen Schülern im Sprachunterricht durch seine Auswahl literarischer Werke Pornografie zugänglich gemacht haben soll. Der Fall wirft die Frage danach auf, welche Werke an den Schulen gelesen werden dürfen und wo die Grenzen liegen. Wie werden der literarische Kanon und die Themen, die im Sprachunterricht an Gymnasien behandelt werden, vorgegeben und kontrolliert?
In den meisten Kantonen bezieht sich der gymnasiale Lehrplan auf die Epochen der Literaturgeschichte, die vermittelt werden müssen, nicht aber auf die Auswahl der einzelnen Werke oder gar der Themen, die innerhalb eines Werkes besonders hervorgehoben werden sollen.

**Was soll man, was darf man lesen?**
So wird dies auch an der Kantonsschule Schaffhausen gehandhabt. Bei der Auswahl der Werke handle der jeweilige Sprachlehrer nach eigener Verantwortung, informiert Detlef Roth, Fachschaftsvorstand Deutsch an der Kantonsschule Schaffhausen. Roth erinnere sich nicht, dass seit seinem Stellenantritt als Lehrer vor fünf Jahren Beschwerden bezüglich des Umgangs mit sexuellen Thematiken in der behandelten Literatur eingegangen wären. Er selber ist der Meinung, dass das Thema der sexualisierten Gesellschaft, wie es sich in der Literatur der letzten zehn bis zwanzig Jahre spiegle, durchaus an der gymnasialen Oberstufe diskutiert werden könne. «Ob ein Lehrer dies jedoch tun will oder nicht, ist ihm freigestellt», ergänzt Roth, der diese Freiheit angemessen findet, denn «nicht jeder fühlt sich kompetent, im Unterricht Diskussionen über Themen wie Sexualität zu führen. Daher soll auch niemand dazu gezwungen werden, sich aufs Glatteis zu wagen.» Auch der Rektor der Kantonsschule, Urs Saxer, erinnert sich an keine diesbezüglichen Beschwerden in den letzten fünfzehn Jahren: «Der einzige Vorfall, der in diese Richtung geht, war eine Nachfrage von Eltern bezüglich des Vokabulars, das eine Französischlehrkraft als Vorbereitung für einen Sprachaufenthalt in Frankreich zusammengestellt hatte. Unter dem Passivwortschatz befanden sich einzelne obszöne Ausdrücke, deren Verständnis die Lehrkraft als nützlich beurteilt hatte.»

**Auch Schülerwünsche zählen**
«Bei der Themenwahl hat nicht nur der Lehrer viel Freiraum, sondern auch den Schülern wird häufig die Gelegenheit gegeben, mitzubestimmen, unter welchen Aspekten sie ein Buch lesen möchten», erklärt Roth. Der Haltung, dass ein literarisches Werk gerade von der Vielfalt an Bezügen lebe, würde sich wohl so mancher Sprachlehrer anschliessen. Als aktuelles Beispiel eines literarischen Werkes, in dem Sexualität ein zentrales, aber nicht das Kernthema bildet, nennt Roth den Roman «Der Vorleser» von Bernhard Schlink aus dem Jahr 1995, der an vielen Gymnasien bereits zum ungeschriebenen Kanon gehört und sich seit seiner Verfilmung im Jahr 2008 bei den Schülern noch grösserer Beliebtheit erfreut. Bis heute haben mehrere Generationen von Kantonsschülerinnen und -schülern diesen zum Klassiker avancierten Roman gelesen, trotz seiner sexuellen Thematik.

**Zielsetzung muss klar sein**
«Will ein Lehrer ein Buch wählen, das heikel sein könnte, wie zum Beispiel das Werk «Feuchtgebiete», muss er mir dieses nicht zur Kontrolle einreichen. Ich bin aber zur Stelle, falls sich Fragen oder Unsicherheiten ergeben», gibt Rektor Urs Saxer über die Situation an der Kantonsschule Schaffhausen Auskunft. «In jedem Fall ist es gut, wenn neue Bücher zuerst in der Fachschaft diskutiert werden und innerhalb des Teams Unterstützung finden», erklärt er den Usus an seiner Schule. Wichtig sei, dass die Zielsetzung klar sei: «Es soll von aussen nachvollziehbar sein, warum die Wahl gerade dieses Werkes das Erreichen der Lernziele fördert.»

**Sexualität nicht das einzige Thema**
Hinter der Frage nach Angemessenheit stehe diejenige der Verantwortung, findet Roth: «Wer soll heute für die Aufklärung verantwortlich sein, die Schule oder die Eltern?» Allerdings gibt es neben Sexualität noch viele andere heikle Themen, die im Unterricht zu schwierigen Situationen führen können. Saxer erinnert sich an einen Fall, wo eine Lehrkraft den Tod als Unterrichtsthema wählte, ohne zu wissen, dass eine Schülerin kurz zuvor eine enge Bezugsperson verloren hatte. Dies löste bei der Betroffenen Unsicherheit aus. Solche Schwierigkeiten sind bei der Wahl von Themen wie Abtreibung, Magersucht, Gewalt, Drogenkonsum oder eben Sexualität im Vornherein zu bedenken. «Der Lehrer muss eine solche Thematik ganz bewusst angehen», meint Roth.

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28. Oktober 2011 | Kanti: Mehr Solarstrom

Schaffhauser Nachrichten, Stadt Schaffhausen
(r.)

Die Solarstromanlage auf der Kantonsschule übertrifft die Erwartungen. In den ersten neun Monaten Betriebszeit hat sie rund 86 000 Kilowattstunden (kWh) Strom produziert, bei einem prognostizierten Jahresertrag von gut 75 000 kWh. Dies teilt das Baudepartement mit.
Neue erneuerbare Energien sollen bis 2017 mehr als 2000 Haushalte mit Strom versorgen. Damit die Sonne ihren Anteil übernehmen kann, hat der Regierungsrat Anfang des Jahres das Impulsprogramm Solarenergie lanciert. Es umfasst vier Massnahmen, von welchen eine die Vorbildrolle des Kantons bildet. Ein Beispiel hat der Kanton zum Start des Programms bereits umgesetzt: die Solarstromanlage auf der Kantonsschule. Sie ist seit Anfang 2011 in Betrieb. Der erzeugte Strom wird in erster Linie für den Eigenbedarf der Kanti eingesetzt. Dabei werden über 15 Prozent des Stromverbrauchs abgedeckt.

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8. Oktober 2011 | Vertretbarer Aufwand

Schaffhauser Nachrichten
Robin Blanck

Man ist mit einem blauen Auge davongekommen: Es war nur ein Fehlalarm, als am 19. September ein bewaffneter Mann in der Nähe der Kantonsschule gesichtet wurde. Beim Vorfall wurden Sicherheitsmängel an der Kanti offenbar, die teilweise schon länger bekannt waren: Ein Teil der Zimmertüren ist nicht abschliessbar, die Lautsprecheranlage funktioniert nicht überall – besonders im erst vor wenigen Jahren erstellten Neubau muss in diesem Punkt von Fehlplanung gesprochen werden. Das soll nun behoben werden. Angesichts dessen, dass im Jahr 2011 Geld auch für weniger dringliche Belange wie eine Solaranlage oder die Fassadensanierung – beides bei der Kanti – ausgegeben wurde, dürfte einer raschen Umsetzung dieser einfachen Massnahmen nichts entgegenstehen. Dass die Probleme den Verantwortlichen schon deutlich länger bekannt waren und trotzdem zugewartet wurde, erstaunt: Eine Alarmierungsmöglichkeit via Lautsprecher dürfte kaum ein längeres Abwägen erfordern. In der lancierten Petition wird verlangt, dass die Probleme bis Ende Jahr gelöst werden sollen, die Schulleitung will dies in den Sportferien erledigen lassen. Auf diese 28 Tage – so viel Zeit liegt zwischen dem Jahresende und dem Beginn der Sportferien – kommt es nicht an. Sinnvollerweise stellt man im Zusammenhang mit Sicherheitsmassnahmen immer wieder die Frage nach dem Nutzen. Längst ist klar, dass Unfälle und Gewaltverbrechen sich nie ganz werden verhindern lassen. Deshalb kann man nicht völlig auf Sicherheitsmassnahmen verzichten, sondern es gilt ein vernünftiges Verhältnis von Aufwand zu Ertrag zu wahren. Eine Lautsprecheranlage für eine Schule, in der sich über 700 Schüler aufhalten, und ein paar Türschlösser sind auch unter diesem Aspekt ein vertretbarer Aufwand.

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7. Oktober 2011 | Sicherheitsmängel schon länger bekannt

Schaffhauser Nachrichten
Robin Blanck

Als der 23-jährige bewaffnete Mann am 19. September festgenommen war und fest stand, dass es sich nicht um einen Amoklauf gehandelt hat, ging ein Aufatmen durch die Kantonsschule. Insgesamt, so das Fazit des Prorektors, sei alles gut abgelaufen, zudem wurde angekündigt, dass Lücken im Alarmierungssystem – etwa die Verschliessbarkeit der Zimmer und die Instandsetzung der Audioanlage für die Warndurchsagen – geschlossen werden können.
Eine Überraschung seien die Lücken indes nicht gewesen, vielmehr hätten die Verantwortlichen von Schulleitung, Erziehungsdepartement und Hochbauamt bereits seit Jahren Kenntnis dieser Mängel: Das ist der Petition «Taten statt Worte! – Eine Petition für mehr Sicherheit an der Kantonsschule Schaffhausen» zu entnehmen, die im Nachgang des Vorfalls von Lehrerinnen und Lehrern der Kantonsschule lanciert wurde und bei Lehrern, Schülern und Eltern zirkulierte. Gemäss Petitionstext haben im Rahmen einer Lehrerkonferenz im Juni 2009 Vertreter der Schaffhauser Polizei ein Referat zum Thema «Sicherheit und Notfälle» gehalten und dabei die Sicherheitsmängel aufgezeigt. Ebenso seien Verbesserungen angekündigt worden. Und: «Auch interne Testläufe zeigten die Mängel in aller Deutlichkeit auf!»

**Viermal Handlungsbedarf**
Die Petitionskommission, in der fast jede Fachschaft mit mindestens einer Lehrperson vertreten ist, legt auch eine vier Punkte umfassende Mängelliste vor: Die Mehrheit der Lehrpersonen hätten ihre Zimmertüren nicht abschliessen können, weil die Schlüssel nicht gepasst hätten. Zweitens wären die Durchsagen im Ergänzungsbau nicht zu hören gewesen, weshalb ein Schulleitungsmitglied die Warnung von Zimmer zu Zimmer gehend verbreiten musste. Dieser Mangel wird auch in Punkt drei angesprochen: Noch immer verfüge nicht jedes Schulzimmer über eine funktionierende Lautsprecheranlage. Und schliesslich sei erst kürzlich eingestellten Lehrern das verwendete Amok-Codewort gar nicht bekannt gewesen, weshalb sie von einem «technischen Defekt» im Wortsinn ausgegangen seien.

**750 Unterschriften in einer Woche**
Die 16 Mitglieder des Petitionskomitees stehen mit ihren Forderungen offenbar nicht alleine da: In knapp einer Woche sind über 750 Unterschriften von Schülern, Eltern und Lehrpersonen zusammengekommen, wie ein Mitglied der Petitionskommission gegenüber den SN erklärt. Die Erwartungen werden klar formuliert: Die Verantwortlichen sollen die Behebung der «Missstände, die das Leben und die Sicherheit der Schüler, Lehrer und Mitarbeiter gefährden» nicht aufschieben, sondern diese bis Ende des Jahres beheben. Man sei sich, so steht es in der Petition, bewusst, dass mit den angetönten Veränderungen Amokläufe zwar nicht verhindert, aber doch Menschenleben gerettet werden könnten. Nach den Ferien will die Kommission beschliessen, an wen nebst der Schulleitung die Petition überwiesen wird. Bei der Schulleitung stossen die Anliegen der Petenten nicht auf taube Ohren, wie Prorektor Pasquale Comi, der den Inhalt der Petition kennt, auf Anfrage der SN erklärt: «Ich habe Verständnis für die Forderungen», sagt Comi, der während des Alarms selber nachgeschaut hat, ob auch keine Schüler mehr auf dem Areal unterwegs sind. Aber: «Die Petition ist in erster Linie gut gemeint, notwendig war sie nicht mehr, weil wir schon vorher reagiert haben», sagt Comi. Bereits anlässlich der Konferenz, die am Abend des 19. Septembers stattgefunden hat, seien die Lehrpersonen, die den Alarm nicht hören konnten, aufgefordert worden, sich bei der Schulleitung zu melden und ihren jeweiligen Aufenthaltsort zur Alarmzeit anzugeben. Am Tag darauf wurde die Liste an der Schulleitungssitzung behandelt und ein Treffen mit Vertretern des Baudepartementes und der Schaffhauser Polizei am folgenden Montag angekündigt. Ziel des Treffens sei die Behebung der baulichen Unzulänglichkeiten im Zusammenhang mit dem Sicherheitskonzept. Am Mittwoch, also erst am Tag nach dieser Ankündigung, seien die Petitionsbögen aufgelegt worden, wie Comi betont. Die angekündigte Sitzung hat inzwischen stattgefunden und es wurde beschlossen, in den nächsten drei Wochen ein Detailkonzept zu erarbeiten und die nötigen Tests durchzuführen. Comi bestätigt, dass ein Teil der Probleme bereits seit 2009 bekannt waren: «Wir wussten von einer Evakuationsübung, dass Durchsagen über die auf dem Gang angebrachten Lautsprecher in den Zimmern praktisch nicht zu hören sind.» Konkret betroffen davon war etwa der neuste Teil der Schulanlage, der Ergänzungstrakt mit der Mensa. Als Folge des vermeintlichen Amoklaufs werden jetzt im Rahmen des Einbaus einer Wireless-Internet-Anlage auch gleich die nötigen Kabel für die Installation von Lautsprechern eingezogen, wie ein Augenschein vor Ort gestern zeigte. Auch die bisher mangelhafte Abschliessbarkeit der Schulzimmer war schon seit 2010 bekannt: «Nicht alle Lehrer verfügen über einen Schlüssel, um die verschiedenen Zimmer, in denen sie unterrichten, abzuschliessen», sagt Comi.

**Einheitliche Standards abwarten**
Wieso aber hat man offensichtliche Mängel nicht schon früher behoben? Gemäss dem Prorektor ist das darauf zurückzuführen, dass man in dieser Frage vonseiten des Hochbauamtes einheitliche Standards für alle kantonalen Schulen definieren wollte und dabei noch das Vorgehen anderer Kantone wie etwa Zürich abwarten wollte. «Das führte zur Verzögerung, die Behebung der Mängel war vom Hochbauamt für das Jahr 2012 vorgesehen», sagt Comi. Bildungsdirektor Christian Amsler weilt derzeit in den Ferien: «So lange ich den genauen Inhalt der Petition nicht kenne, kann ich mich dazu auch nicht äussern.» Er ist überzeugt, dass man man sich im Nachgang des Amoklaufs von Winnenden beim Erziehungsdepartement die nötigen Gedanken gemacht hat. Amsler: «Es ist möglich, dass wir die bauliche Seite nochmals anschauen müssen.»

**Kaum noch in diesem Jahr**
In den Sportferien 2012 soll nun die Lautsprecheranlage abschliessend angepasst und wo nötig sollen Verriegelungsvorrichtungen auf der Innenseite der Türen montiert werden, die ohne Schlüssel bedient werden können. Die Forderung der Petenten, die eine Umsetzung sämtlicher Massnahmen noch in diesem Jahr verlangen, kann kaum erfüllt werden: Zuerst müsse die Regierung die nötigen Ausgaben bewilligen, dann würden die Arbeiten ausgeschrieben und vergeben. Comi: «Und weil während der Schulzeit nicht gebaut werden kann, muss das in den Sportferien geschehen – das ist der schnellstmögliche Termin.»


**Augenzeugen Wie Kantischüler den Alarm erlebt haben**

Hört man sich bei Kantonsschülern um, die den Fehlalarm vom 19. September erlebt haben, so wird der Eindruck gestützt, das nicht alles wie geplant lief. Schüler Reto beispielsweise sagt, nur gerade eine Klasse sei nicht an den Pulten sitzen geblieben, schon gar nicht sei man unter die Tische gesessen. Im Ernstfall wäre die Schule nicht gerüstet gewesen – so sein Fazit. Thomas sagt, dass bei seiner Klasse die Türen nach der Durchsage abgeschlossen worden seien, der Unterricht aber normal weitergeführt worden sei. Es sei, so seine Einschätzung, nicht alles optimal gelaufen. Jasmin findet, dass gut reagiert worden sei, Annika hingegen erklärt auf Anfrage der SN: «In unserem Zimmer hörte niemand den Alarm und wir erfuhren erst nach Schulschluss von der ganzen Sache.» Berichtet wird überdies von Fällen, in denen Schüler und Lehrer auf dem Gang unterwegs waren, um herauszufinden, was genau los sei. (cco/rob)

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5. Oktober 2011 | Wussten Sie schon…

Schaffhauser Nachrichten, Service
(mha.)

Schon im Mittelalter galten alkoholische Getränke als etwas Mystisches. Viele Menschen konnten sich damals nicht erklären, wie der berauschende Effekt zustande kam. Oft vermutete man dahinter den Einfluss einer Gottheit.
Nicht selten wurde Alkohol zu rituellen und religiösen Anlässen getrunken. In Griechenland waren insbesondere die Symposien, eine Art Trinkgelage, bei denen man philosophische Gespräche führte, sehr beliebt. Der Rausch galt damals als Erkenntnis fördernd. Gleichwohl unterlag der Alkoholkonsum in der Antike in der Regel einer strengen sozialen Kontrolle. In Athen wachte auch die Obrigkeit darüber, wann und wie viel Alkohol getrunken wurde. Ähnliches galt auch für die Menschen im alten Rom, wobei der Senat recht häufig gegen ausschweifende Trinkorgien durchgreifen musste. Frauen war übrigens im alten Rom der Alkoholkonsum gänzlich verboten.
Während sich die Griechen und die Römer vorwiegend mit Wein berauschten, hielten sich die Germanen lieber an Met und Bier. Diese Getränke hatten auch eine stark kultische Bedeutung. Mit ihnen ehrte man unter anderem den Gott Odin. Wichtige Beschlüsse wurden von den Germanen nur im berauschten Zustand getroffen, wobei Trinkzwang herrschte. Es sollte schliesslich niemand einen Vorteil aus dem Rausch der anderen ziehen können.
Auch im Mittelalter gehörte der Alkohol zum täglichen Leben. Zwar verurteilte die Kirche übermässige Trunkenheit als heidnisches Laster. Die damals überwiegend schlechte Qualität des Trinkwassers führte jedoch dazu, dass sich das Volk lieber an Wein und Bier hielt. Selbst Kindern wurden in der Regel mit Wasser verdünnte alkoholische Getränke verabreicht, wenn keine Milch zur Verfügung stand. Ein Quantum von 2 bis 3 Litern Wein dürfte auch im alten Schaffhausen bei erwachsenen Personen keine Seltenheit gewesen sein. Allerdings hatte beispielsweise der Weisswein damals kaum mehr als 6 bis 8 Volumenprozente. Und dennoch: Weil Alkohol praktisch rund um die Uhr getrunken wurde, führte das bei den meisten Menschen von damals zu einer Art Dauerbeschwipstheit. Zu Exzessen kam es in mittelalterlicher Zeit vor allem auch durch die Unsitte des Zutrinkens, welche bei jungen Leuten und Landsknechten sehr beliebt war. Wem in einer Wirtschaft zugetrunken wurde, musste in der Regel mit dem gleichen Quantum nachsteigen, wenn er nicht eine Prügelei riskieren wollte.
Mit der Reformation gab es dann auch in unserer Stadt zunehmend strengere Gesetze gegen den übermässigen Alkoholkonsum. Ihr tägliches Quantum Wein liessen sich aber die meisten Schaffhauser – Erwachsene wie Kinder – bis weit ins 19. Jahrhundert hinein nicht nehmen.

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1. Oktober 2011 | Ein Finale mit Powerpoint

Schaffhauser Nachrichten, Region
Mark Liebenberg

In Teams von fünf Leuten hatten die rund 100 Kantons- und Berufsschüler während einer Woche Kurse zu unternehmerischen Aspekten besucht und ein fingiertes Unternehmen vorangebracht, das mit Hilfe einer computergestützten Unternehmenssimulation und mit konkreten Entscheidungen auf verschiedenen Führungsebenen auf die Erfolgskurve gebracht werden musste. Am Freitag galt es dann ernst: Die Ergebnisse der Geschäftstätigkeit, der Erfolg und die zukünftige Strategie mussten an einer fingierten Generalversammlung den Aktionären schmackhaft und überzeugend dargelegt werden.

**Simulierte Unternehmensführung**
So legte vor dem Plenum auch die Forma «Deep Divers» Rechenschaft ab. Sie produziert seit 14 Jahren Kopfhörer – was sie mit dem packenden Slogan «Dive into your world of music» verdeutlicht. CEO Matthias referiert gekonnt über die Grundstrategie, die Ziele und die Leitsätze. Zudem sind im zurückliegenden Jahr schwere Gewinneinbussen zu verzeichnen gewesen, was ein etwas verlegener CFO Sven dem Aktionariat erklären musste: «Tut mir leid», so der Finanzchef über die geringeren Dividendenzahlungen. «Wie der Phönix aus der Asche» sei das Unternehmen aber wieder in die Gewinnkurve eingebogen. Wie man merkt, legen die Schüler ein grosses Augenmerk auf die Situation der Arbeitnehmenden. So berichtet Judith vom Human Resources Management von einer erfreulichen Lohnentwicklung und attraktiven Weiterbildungen. Johanna gibt sodann kompetent zu Forschung und Entwicklung des Unternehmens sowie zur Anlagenentwicklung Bescheid und abschliessend gibt Mia eine Übersicht über das Marketing der Kopfhörerfirma. Auch sie tut dies sattelfest. Wie es scheint, haben die Schüler die Materie verstanden und somit wichtige Grundbegriffe der Betriebsökonomie verinnerlicht. Fast schon mit Pathos in der Stimme verbreitet der CEO nochmals gute Stimmung und legt die Schwerpnkte und konkreten Ziele des Unternehmens dar. Das Auditorium war entzückt und spendete Applaus. Unter den Zuhörenden waren auch Regierungsrat Christian Amsler und Vertreter des Erziehungsdepartements, der Industrie- & Wirtschafts-Vereinigung Schaffhausen, der Ernst-Schmidheiny-Stiftung und der Kantonsschule – jene Institutionen, die die traditionelle Wirtschaftswoche mittragen.

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21. September 2011 | Polizei hat Festgenommenen freigelassen

Schaffhauser Nachrichten
(zge/ek)

Der Mann, der am Montag bei einem Grosseinsatz in Schaffhausen von der Polizei gefasst wurde, ist wieder frei. Wie Polizeisprecher Patrick Caprez gestern erklärte, sei keine Bedrohung von dem 23-Jährigen ausgegangen. Passanten hatten gemeldet, dass der Mann mit einer Waffe in Richtung Kantonsschule gehe. Die Polizei löste darauf in mehreren Schulen Amokalarm aus und postierte Polizisten. Bei der Festnahme stellte sich heraus, dass der Mann eine Schreckschusspistole, einen Schlagstock und einen Pfefferspray auf sich trug. Eine Verbindung zur Schule habe aber nicht bestanden, sagte Caprez. Der Mann wird nun wegen Widerhandlung gegen das Waffengesetz verzeigt.
Der Zwischenfall offenbarte Lücken im Alarmierungssystem der Kantonsschule. So konnte etwa die Durchsage, dass Schüler und Lehrer in den Zimmern bleiben sollten, nicht überall gehört werden. Nun sollten die Konsequenzen gezogen werden, sagte Prorektor Pasquale Comi: «Die Verschliessbarkeit der Zimmer soll verbessert und die Audioanlage à jour gebracht werden.»

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20. September 2011 | Amok-Alarm in Schaffhausen: Bewaffneter bei Schulhaus verhaftet

Schaffhauser Nachrichten
Zeno Geisseler

Ein 23-jähriger Schweizer hat gestern Nachmittag die Polizei und die Schulen in Atem gehalten. Um 14.15 Uhr geht bei der Polizei laut Mediensprecher Patrick Caprez die Meldung ein, dass bei der Bushaltestelle Frohberg ein Mann mit einer Schusswaffe hantiert habe und jetzt in Richtung Schulhäuser unterwegs sei. Die Polizei rückt sofort aus und zieht ein grosszügiges Dispositiv auf. Die Schulhäuser Emmersberg und Gelbhausgarten, das Bachschulhaus und die Kantonsschule sowie das Berufsbildungszentrum werden in Alarmzustand versetzt. In den Schulhäusern werden Polizisten postiert. «Die Schüler und die Lehrer mussten in den Zimmern bleiben, die Türen wurden abgeschlossen», erzählt Pasquale Comi, stellvertretender Rektor der Kantonsschule, «Hektik gab es aber keine.»

**Absichten unklar**
Um etwa 15 Uhr lässt sich der Mann widerstandslos unterhalb der Kantitreppe von der Polizei festnehmen. Kurz danach gibt es in den Schulhäusern Entwarnung. Wie Polizeisprecher Patrick Caprez sagte, trug der Mann bei der Verhaftung eine Schreckschusspistole auf sich, die sich optisch nicht von einer wirklichen Pistole unterschied. Weiter hatte er einen Teleskopschlagstock und einen Pfefferspray dabei. Noch ist unklar, warum der Mann diese Gegenstände bei sich hatte und was seine genauen Absichten waren. Laut Polizeiangaben bleibt der Mann vorläufig in Gewahrsam. Die Lehrerinnen und Lehrer der Kantonsschule wurden laut Comi gestern Abend um 17.15 Uhr über den Vorfall informiert, heute Dienstag erfahren die Schülerinnen und Schüler der Kanti mehr.

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5. September 2011 | Die Meister des Schweizer Biers in Schaffhausen

Schaffhauser Nachrichten
Nora Cetin

Was braucht es, um ein gutes Bier zu brauen? Erstens: Gerstenmalz oder andere stärkehaltige Rohstoffe, vor allem Getreide wie Weizen, Roggen, Mais, Reis, Hafer, Dinkel oder Emmer, aber auch Zutaten wie Kastanien oder Datteln eignen sich. Zweitens braucht man Hopfen. Er sorgt nicht nur durch seine edlen Aroma-, Bitter- und Gerbstoffe für den angenehm bitteren Geschmack eines Bieres, sondern hat auch einen positiven Einfluss auf die Haltbarkeit und die Schaumbildung des Getränks.
Entscheidend ist drittens für ein gutes Bier: Wasser. Für helles Bier wird im Normalfall weiches Wasser eingesetzt, für dunkle Biere kann auch härteres Wasser verwendet werden. Und viertens wäre da noch die Hefe. Sie hat wesentlichen Anteil am Charakter und Geschmack eines Bieres. All diese Inhaltsstoffe braucht es, um ein gutes Bier zu brauen. Aber all diese Zutaten wären verschwendet, wäre Hopfen und Malz verloren, wenn es da nicht den Braumeister geben würde, der mit diesen Zutaten zu arbeiten weiss. Um ein gutes Bier zu brauen, braucht es einen guten, einen erfahrenen Braumeister.

**Lebenselixier Bier**
Von überall aus der Schweiz waren die Mitglieder der Schweizerischen Braumeistervereinigung, wie schon im Gründungsjahr 1909, in Schaffhausen zusammengekommen. Nach einem vielfältigen Programm am Nachmittag, organisiert vom Gastgeber, der FalkenBrauerei AG, wurden die Braumeister und Braumeisterinnen am Abend offiziell in Schaffhausen begrüsst. Regierungsrat Reto Dubach würdigte das Bier mit einem kurzen Reim: «Bier, glaube mir, ist ein Lebenselixier.» Stadtpräsident Thomas Feurer lobte das Bier als perfektes Lebensmittel mit grosser handwerklicher Tradition, die nicht verloren gehen dürfe, und die Brauerei Falken als Vorzeigebetrieb der Region. Die längste Rede des Abends war jedoch nicht ein Loblied auf Schaffhausen oder auf das Bier, sondern eine Laudatio für einen ganz besonderen Braumeister. Jeder, der in den letzten 28 Jahren ein Bier aus der Falken Brauerei getrunken hat, hat seine Geschmacksnerven diesem Mann anvertraut: Oskar Dommen.

**Bis nach Afrika …**
Der Laudator Alfred Bucher, ehemaliger Technischer Direktor von Feldschlösschen und langjähriger Freund von Dommen, legte dem Laureaten nahe, ein Buch über sein Leben zu schreiben. Möglicher Titel: «I had a dream … to become a brewmaster». Dieser Traum hat sich für Oskar Dommen erfüllt und ihn, sogar mehrere Male, bis nach Afrika geführt, wo er etwa in Swasiland oder Gambia als Braumeister tätig war. Neben der Leidenschaft fürs Bier hat Oskar noch eine weitere, über die ein Buch geschrieben werden könnte: Triathlon. Laudator Bucher hatte auch für dieses Werk bereits einen Titel ersonnen: «Mit Hopfen und mit Malz im Blut läuft Oskar immer gut». Als Braumeister wählt Dommen die Rohstoffe sorgfältig aus, stimmt die Rezepturen behutsam ab und stellt eine exakte Steuerung der Brauvorgänge sicher. «Dank seiner Erfahrung und Begeisterung braute er Bier, über dessen Geschmack und Qualität man nichts weiter zu sagen braucht», so Bucher. Er übergebe seinem Nachfolger (Uwe Siegrist) Ende des Jahres eine intakte Brauerei auf dem neusten Stand der Technik. Zeit für ein gutes Bier hat Oskar Dommen in Zukunft noch mehr, vielleicht schafft er es dann auch, seinen Kaffe endlich einmal heiss zu geniessen: «Den Znüni-Kaffi lass ich nämlich immer irgendwo stehen und vergesse ihn, bis er kalt ist», sagt Dommen.



Oskar Dommen, Braumeister der Falken Brauerei, im Kreise seiner Berufskollegen.
Bild Nora Cetin

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30. August 2011 | Achtung Bier – jetzt kommen die Frauen!

Coopzeitung Nr. 35 vom 30. August 2011
Bettina Ullmann

*Coopzeitung: Warum wird eine Frau
Biersommelière?*
Gaby Gerber: Ich trinke natürlich selbst gerne Bier. Ich beobachte, dass es vielen Frauen genauso geht wie mir und es wird immer selbstverständlicher, dass Frauen Bier trinken. Die Frauen meiner Generation sind selbstbewusster geworden. Diese Frauen möchte ich über meineTätigkeit erreichen.Meine Ausbildung zur Biersommelière war für mich aber nicht in erster Linie eine Frage von Geschlechterklischees. Die Ausbildung zur Biersommelière hat mich einfach fachlich interessiert.

*Aber das Bierimage ist natürlich sehr männlich.*
Ganz klar. Dabei waren es ganz früher einmal die Frauen, die das Bier gebraut haben. Weil Bier historisch gesehen ein Nebenprodukt der Brotbäckerei war. Heute ist die Branche mehrheitlich in Männerhand.

*Spüren Sie das?*
Ich muss zum Beispiel manchmal erklären, warum mir Bier schmeckt. In der Brauerei Feldschlösschen verkosten wir in einem Team von 19 Leuten täglich verschiedene Biere. Unter diesen Personen sind fünfweibliche Mitarbeiterinnen.

*Gibt es denn einen Unterschied zwischen dem männlichen und weiblichen Biergenuss?*
Grundsätzlich sind Frauen zum Beispiel probierfreudiger als Männer. Das gefällt mir.

*Warum?*
Ich würde gerne allen Bierliebhabern, Frauen wie Männern, vermitteln, dass Bier nicht gleich Bier ist. Wenn wir im Restaurant einenWein bestellen, sagen wir ja auch nicht, «einen Wein bitte!» – sondern wir bestellen einen ganz bestimmten Wein. Die Unterschiede zwischen einem obergärigenWeizenbier, einem Lager, einem süffigen alkolholfreien und so weiter, sind so gross, dass wir von dieser grossen Biervielfalt auch profitieren sollten. Ein Biersommelier in guten Restaurants könnte genauso selbstverständlich sein wie ein Weinsommelier. Das wäre mein Ziel.

*Welche Biere schmecken denn vor allem den Frauen?*
Die Wahrnehmung des Biergeschmacks ist nach meiner Erfahrung nicht gleich wie bei Männern. Viele Frauen mögen keinen ausgeprägten «bierigen» Geschmack, sondern trinken gerne milde oder liebliche Biere. Das kann aber nicht allein an der Bitterkeit liegen. Denn Bitter Lemonund Campari werden auch von Frauen gerne getrunken. Grundsätzlich schmecken Frauen empfindlicher als Männer. Auch unser Eve ist so entstanden.Während der Entwicklungsphase sagte unser Chef, daran lasse er nur Frauen, und so war es. Das Eve wurde ausschliesslich von Frauen entwickelt.

*Welche Biersorten empfehlen Sie zu welchem Essen?*
Ein Amber passt gut zum Essen. Aber natürlich ist relevant, was genau aufgetischt wird. Zu einem hellen Gericht wie Fisch beispielsweise passt auch ein helles Bier. Zu Brot oder einem Wildgericht serviere ich gerne ein Amber oder ein dunkles Bier, zu einem Dessert passt eher ein herbes, helles Spezbier. Wenn man an einem Abend verschiedene Biere nacheinander trinkt, gilt die Regel: vom alkoholarmen zum alkoholhaltigen, vomweniger süssen zum süsseren, vom wenig vollmundigen zum vollmundigen Bier steigern.


**Die Biergeschichte ist auch weiblich**
Man weiss sicher, dass es im alten Ägypten neben Bäckereien auch Brauereien gab. Und das bereits vor rund 5500 Jahren! Frauen waren am Biergenuss durchaus beteiligt und ein bierähnlicher, aus Brotteig gegorener Trank avancierte damals zum Nationalgetränk. Lange Zeit war das Bierbrauen in Frauenhand, unter anderem, weil es so eng mit dem Brotbacken verbunden war. 1358 hiess eine der sieben Brauereien in Strassburg «Zur Bierfrouwen». 1439 gab es in Oxford mehr Frauen als Männer im Braugewerbe. Dann wurden sie jedoch bald aus diesen Berufen vertrieben. Ob Frauen Alkohol trinken durften, war gesellschaftlich nicht immer gleich legitim. Dennoch haben sich die Frauen wahrscheinlich zu keinem


**Gaby Gerber: Die Bierexpertin**
Gaby Gerber (39) wuchs in einem von Frauen geführten KMU auf, das Edelbrände herstellt. Sie ist heute nicht nur Fachfrau für Bier, sondern auch Jurymitglied der Destillata, der grössten internationalen Edelbrandverkostung. Seit 14 Jahren ist sie bei der Brauerei Feldschlösschen angestellt. Ihre Ausbildung zur Biersommelière machte sie an der Brauakademie Doemens (D), diese beinhaltete unter anderem 100 Unterrichtseinheiten und 140 Bierproben. Gaby Gerber ist bei Feldschlösschen zuständig für das Standortmarketing der Brauerei in Rheinfelden.

Umfrage: Trinken Sie gerne Bier?

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28. August 2011 | Züri-Hell-Bier: Herkunft dunkel

Saldo, 28. August 2011
Thomas Lattmann

Das Bier für Zürich», bewirbt der Verein Züri-Hell sein Bier. Die Etikette auf der Flasche zeigt das nächtlich erleuchtete Grossmünster und das Reiterdenkmal von Hans Waldmann. Züri-Hell gibt sich als Stadtzürcher Bier aus. Abgesehen vom Namen auf der Etikette hat es mit der grössten Schweizer Stadt aber nichts gemeinsam: Denn Züri-Hell wird von der Brauerei Sonnenbräu in Rebstein SG hergestellt. Gemäss Claudia Graf, Geschäftsleitungsmitglied von Sonnenbräu, ist Züri-Hell praktisch identisch mit dem hauseigenen Maisbier.

**Heineken und Carlsberg geben in der Schweiz den Ton an**
Nach der Übernahme und Schliessung zahlreicher Brauereien dominieren in der Schweiz zwei internationale Bierkonzerne: Heineken aus Holland und Carlsberg aus Dänemark. Die beiden Riesen beherrschen rund zwei Drittel des Schweizer Biermarkts. Als Gegenbewegung zu den Einheitsbieren der beiden marktführenden Unternehmen sind in den letzten Jahren zahlreiche Kleinbrauereien entstanden. Die Kleinen wollen sich mit Kundenemotionen, Brautradition, Spezialitäten und Lokalkolorit gegen die Grossen behaupten. Mit ihrer angeblichen Einzigartigkeit rechtfertigen sie den meist höheren Preis für ihre Biere.
Auch Coop hat den Trend zu lokalen Bieren erkannt. Je nach Verkaufsregion befinden sich unterschiedliche Biere im Angebot des Grossverteilers. Über 115 lokale und regionale Biere umfasst das Sortiment.

**Einige Kleinbrauereien gibt es in Wirklichkeit gar nicht**
Züri-Hell ist kein Einzelfall: So lokal verwurzelt und einzigartig sind die Biere vieler Kleinbrauereien nicht – wenngleich der Name und die Werbung etwas anderes verheissen. Einige Brauereien existieren sogar nur auf dem Papier. Deren Biere werden auswärts gebraut. Hier drei Beispiele:

*Brauerei Aare in Bargen BE:*
Sie bedient verschiedene Regionen mit «lokalem» Bier. Die 2006 im Berner Seeland eröffnete Brauerei produziert Lozärner Bier, Churer Stadtbier sowie Goldküstenbräu und Oberländerbräu (Zürcher Oberland). Geschäftsführer Cesare Gallina sagt, dass alle Biere nach den Rezepturen der Auftraggeber produziert würden. Philippe Corbat, einer der besten Bierkenner des Landes und regelmässiges Jury-Mitglied beim Wettbewerb Schweizer Bier des Jahres, bezweifelt dies. Beim Blindtest konnte er keinerlei Unterschiede feststellen zwischen dem Kellerfrisch der Aare-Bier-Brauerei und den Fremdmarken Lozärner Bier und Goldküstenbräu. Gallina habe diesen Sachverhalt ihm gegenüber bestätigt, sagt Corbat.

*Brauerei Locher in Appenzell:*
Diese Brauerei liefert ein weiteres Beispiel von Fremdbrauen. Die Marke Em Basler sy Bier stammt nicht etwa aus einem Sudtopf von den Ufern des Rheins, sondern von der Brauerei Locher. Auf der Etikette ist das aber nirgends deklariert. Die Basler Herkunft wirkt konstruiert: Braugerste und Hopfen sollen von Feldern des Stadtkantons kommen und das Wasser aus «einer der 16 benannten Rheinquellen». Gemeint ist da­mit das Appenzeller Wasser, das letztendlich in den Rhein fliesst. Locher braut im katholischen Appenzell auch die Calvinus-Biere. Mit dem Bild des Reformators Jean Calvin wird bei diesen Bieren die Genfer Identität betont. Von den Frères Papinot in Genf, die auf den Flaschenetiketten angegeben sind, stammen aber lediglich die Rezepturen.

*Brauerei Baar ZG:*
Diese Brauerei stellt seit ein paar Jahren das Amboss-Bier aus dem Zürcher Kreis 5 her. Als «Lieblingsbier unserer Lieblingsstadt» preist sich dieser Gerstensaft an. Auf der Etikette steht lediglich: «Ein Produkt der Amboss Zürich AG. In Kooperation mit der Brauerei Baar». Ob der Biertrinker daraus schliesst, dass Amboss aus dem Kanton Zug kommt, ist fraglich.

Bierspezialist Philippe Corbat kritisiert, dass viele Kleinbrauereien ihr Bier von anderen herstellen lassen und sich auf den Marketing-Aspekt und allenfalls den Vertrieb beschränken. Wird das nicht oder nur ungenügend offengelegt, grenze das für ihn an Betrug.
Deutlicher wird Adrien Weber, Geschäftsführer der Zürcher Turbinenbräu: «Wenn man die Leute über die Herkunft des Bieres anlügt, ist das Etikettenschwindel. Das schadet dem Produkt Bier.» In den vergangenen Jahren habe in der Schweiz nicht die Biervielfalt, sondern die Etikettenvielfalt zugenommen.

**Zuerst kommt das Marketing, dann das Brauen**
Hansjörg Schatt von Züri-Hell weist den Vorwurf des Etikettenschwindels entschieden zurück. Das Brauen sei sehr kapitalintensiv. Deshalb behelfe man sich anfänglich mit einer Fremdabfüllung und kümmere sich zuerst um das Marketing. Seine Vision sei eine Braustätte in Zürich. Coop weiss, dass manche Anbieter von lokalen und regionalen Bieren nicht selber produzieren. Das sei kein Etikettenschwindel. «Wenn wir Produkte ins Sortiment nehmen, geschieht dies, weil der Kunde danach fragt und das Konzept, welches hinter dem Bier steht, als Ganzes überzeugt.»

**Gemälzte Gerste kommt immer aus dem Ausland**
Kein Bier in der Schweiz ist 100 Prozent lokal, weil in der Schweiz keine Mälzerei zur Verarbeitung der Gerste existiert. Aber es gibt Kleinbrauereien, die dem Ideal nahe kommen. Dazu gehören etwa die Brauerei Luzern, Euelbräu in Winterthur oder Turbinenbräu in Zürich. Diese Betriebe führen vom Brauprozess über die Abfüllung bis hin zum Vertrieb und der Vermarktung des Biers alles selber durch. «Für uns ist das selbstverständlich», sagt Adrien Weber von Turbinenbräu.

**Brauereien und ihre Fremdbiere**

*Aare Bier, Bargen BE, braut:*
* Biere von Braukultur Uster ZH, nämlich Goldküstenbräu, Oberländerbräu, Usterbräu
* Lozärner Bier, Luzern
* Churer Stadtbier, Chur GR

*Baar, Baar ZG, braut:*
* Amboss Bier, Zürich

*Falken, Schaffhausen, braut:*
* Striker, Meilen ZH

*Locher, Appenzell AI, braut:*
* Hopfehäxli, Wolfwil SO
* Calvinus, Genf
* Em Basler sy Bier, Basel
* Stammheimer Hopfenperle, Stammheim ZH

*Rosengarten, Einsiedeln SZ, braut:*
* Gottardo, Faido TI
* Pfauenbier, Rapperswil SG
* Entlebucher Bier, Entlebuch LU (Aushilfe bei Kapazitätsengpässen)
* Stadtguet, Winterthur ZH (Flaschenabfüllung und Aushilfe bei Kapazitätsengpässen)

*Sonnenbräu, Rebstein SG, braut:*
* Züri-Hell, Zürich
* Thurbobräu, Wil SG
* lllauer Punt, Illnau ZH



Etikettenschwindel: Em Basler sy Bier, Calvinus, Lozärner Bier, Züri-Hell

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25. August 2011 | «Im Stammertal gehört der Hopfen dazu»

Schaffhauser Nachrichten, Weinland
Oskar Keller

*Herr Ulrich, wie wird die Hopfenernte 2011 ausfallen, die heuer wohl zwei Wochen früher beginnt? 2010 haben Sie noch 6000 Kilogramm geerntet …*
Stefan Ulrich: Die Ernte wird nicht zwei Wochen früher beginnen, sondern am 29. August, denn die Abreife ist durch die Tageslänge gesteuert, das heisst, der Erntezeitpunkt variiert nur wenige Tage. Die Erntemenge ist sehr schwer einzuschätzen, und ich wage keine Prognose. Da sind schon viele «Gelehrte» reingefallen, allerdings sieht der Hopfen zum jetzigen Zeitpunkt sehr schön und vielversprechend aus. Vor fünf Jahren hatten indes wir einen verregneten, kalten August. Damals waren alle sehr enttäuscht.

*Der Hopfenanbau in der Schweiz ist am Verschwinden (Gesamtfläche: 17 Hektaren). Er macht etwa 15 Prozent des Bedarfs aus. Im süddeutschen Tettnang beträgt die Anbaufläche heuer 1221 Hektaren! Bauen Sie im Stammertal in Zukunft noch mehr Hopfen an?*
Wir würden gerne mehr Hopfen anbauen, denn die vorhandenen Anlagen und Maschinen würden locker für die doppelte Fläche ausreichen. Daneben müsste aber auch der Preis stimmen, denn ich stelle nicht gern Aushilfskräfte ein, die dann den höheren Lohn haben als ich!

*Der Hopfenübernahmepreis wurde gemäss Beschluss Ihrer Hopfen-Genossenschaft (GSH) für drei Jahre (2010–2012) auf 430 Franken für fünfzig Kilogramm festgelegt. Das sind 8.60 Franken pro Kilo. Hopfenpreise sind Weltmarktpreise. Wie sieht es mit den Erträgen für den Hopfenanbau in Stammheim aus? Sind Hopfen ein gutes Geschäft für Sie?*
Ich arbeite fast ausschliesslich mit Maschinen, die älter als zwanzig Jahre und damit amortisiert sind. Darum und weil wir vieles selber machen, sprich wenig betriebsfremde Arbeitskräfte einsetzen, ist der Anbau noch machbar. Heute mit dem Hopfenbau zu beginnen, ist aber völlig unmöglich.

*Sie sind Mitglied in der Genossenschaft für Schweizer Hopfen (GSH) sowie seit 1991 Präsident des Vereins Schweizerischer Hopfen-Produzenten (VSH) mit neun Mitgliedern. Was bezwecken und nützen diese Organisationen den wenigen Hopfenanbauern?*
Da mindestens alle drei Jahre über den Hopfenpreis verhandelt wird, sind eine gute Absprache und ein Konsens unter den Produzenten sehr wichtig. Ausserdem gibt es viele andere Bereiche, wo eine offizielle Ansprechperson nötig ist – etwa für Pflanzenschutz und Direktzahlungsverordnung –, denn wir haben keine andere Lobby.

*Wie viele Hopfenbauer gibt es noch im Stammertal?*
Heute sind wir im Stammertal noch fünf Pflanzer, als mein Vater 1949 mit dem Anbau begann, waren es acht Bauern und fünf Jahre später sogar 19 Produzenten. Allerdings war der durchschnittliche Hopfengarten nur etwa eine Juchert, circa 36 Aren gross, und heute beträgt die Anbaufläche pro Betrieb doch 1 bis 2,9 Hektaren.

*Gibt es einen Trend bei den Hopfenpflanzen?*
Die Hopfenpflanzen-Neuzüchtungen werden wie alle Kulturpflanzen immer ertragreicher und krankheitsresistenter. In der Schweiz werden vermutlich immer mehr Bitterstoffsorten angebaut, weil die Brauereien dies wünschen. Die Umstellungen gehen aber sehr langsam vor sich, denn eine Sorte kann locker zwanzig bis dreissig Jahre genutzt werden, und ein Sortenwechsel ist mit viel zusätzlicher Arbeit verbunden.

*Die alte Heilpflanze hat viele Vorzüge, und der Anbau ist speziell. Was fasziniert Sie am Hopfenanbau?*
Der Hopfen ist eine schöne Pflanze, und ein Hopfengarten im August ist doch sehr imposant. Hopfenanbau ist jedes Jahr eine neue Herausforderung und sehr spannend. Es ist jedes Jahr faszinierend, wie schnell die Hopfen in die Höhe schiessen – bis zwanzig Zentimeter pro Tag –, und der Geruch während der Ernte ist unbeschreiblich. Ausserdem bin ich natürlich Bierliebhaber, und etwas für dieses Getränk zu produzieren, freut mich besonders, auch wenn ich die heutigen Biere eher zu wenig bitter finde.

*«Die Schweizer Hopfenbauern haben den Trend im Wechsel der Pflanzen verpasst und die besonderen Aromakomponenten des Hopfens vergessen», meint Bierguru und Brauer Martin Wartmann aus Frauenfeld. Es gilt nach wie vor der Bitterstoffgehalt als allein selig machend, während in den USA und England die spezifischen Aromasorten einen wahren Boom erleben. Wie sehen Sie das?*
Zum Teil gebe ich Martin Wartmann recht, allerdings ist es fast nirgends so, dass etwas angefasst wird, wenn es nicht bezahlt wird. Andrerseits müssen Sie sich die Dimensionen vor Augen halten: In der Schweiz werden etwa 30 Tonnen Hopfen geerntet. 80 Prozent dieser Menge wird von den Konzernen Carlsberg und Heineken gekauft und verwendet, das heisst, wenn wir nicht das produzieren, was sie wollen, können wir 80 Prozent unserer Ernte nicht verkaufen.

*Hopfenlaus und Spinnmilben sind omnipräsent. Wie halten Sie es mit dem Pflanzenschutz?*
Wer erlebt hat, wie schnell so ein Schädling den Ertrag dezimieren und die Qualität zunichtemachen kann, der begreift auch, dass der Hopfenbauer Gegenmassnahmen ergreift. Natürlich heisst die Devise: So viel wie nötig, so wenig wie möglich, aber es ist sehr schwierig, den Verlauf eines Schädlings- oder eines Pilzbefalles abzuschätzen.

*Biologischer Hopfen führt weiterhin ein Schattendasein. Acht von neun Anbauern führen konventionelle Betriebe. Warum bauen Sie nicht Biohopfen an?*
Mit 2,5 Hektaren ist der Bedarf an Biohopfen in der Schweiz mehr als abgedeckt. Ausserdem muss in der Schweiz der gesamte Betrieb nach den Biorichtlinien geführt werden. Als Traubenproduzent kommt das für mich nicht in Frage. Daneben stellt sich die Frage, warum ich Fortschritte in der Anbautechnik und im Pflanzenschutz nicht nutzen sollte. Von einem herausragenden Einhundert-Meter-Läufer erwartet man auch nicht, dass er diese Leistung mit Wasser und Brot vollbringt. Im Übrigen habe ich es zu oft erlebt, dass erstens Konsumenten, die Bioprodukte verlangen, keine Ahnung haben von der Bioproduktion und zweitens, wenn sie im eigenen Garten ein Problem haben, sehr schnell zur Giftspritze greifen. Damit Sie mich richtig verstehen: Ich habe hohen Respekt vor den Biobauern und den Leistungen, die sie erbringen, aber im Hopfenbau ist es enorm schwer und der Ertrag extrem starken Schwankungen unterlegen. Den ökonomischen Aspekt kann ich nicht ausklammern, denn der Hopfenanbau liefert etwa einen Drittel des Betriebseinkommens.

*Der Bierkonsum stieg im Jahr 2010 leicht auf 57,3 Liter pro Kopf. Der Trend geht aber auch zu alkoholreduzierten Bieren – und zu Mineralwasser. Wie sehen Sie die Zukunft für die Schweizer Hopfenbauern? Wird in zwanzig Jahren noch Hopfen in Stammheim und in der Schweiz angebaut?*
Ich fände es sehr schade, wenn der Hopfenbau in der Schweiz zum Erliegen käme. Eine bald hundertjährige Kulturpflanze würde verschwinden und damit viel Wissen und Know-how. Im Weiteren sehe ich den Hopfen als Bereicherung unserer Landschaft. Im Stammertal gehört der Hopfen einfach dazu.

**Hopfenanbau Seit über 60 Jahren Familienbetrieb**
*Stefan Ulrich*
1960 in Unterstammheim geboren, studierte er 1981 an der ETH Zürich Agronomie. 1988 übernahm er mit seiner Frau Sylvia aus Buchberg SH, auch Bäuerin, den 1976 erbauten Hopfenhof in der Nähe des Bahnhofs Stammheim. Ulrich ist seit 1991 Präsident des Vereins Schweizerischer Hopfen-Produzenten (VSH). Stefan und Sylvia Ulrich sowie ihre vier Kinder bewirtschaften 20 Hektaren Land. Sie betreiben vor allem Milchwirtschaft und Rebbau (125 Aren). 2010 begannen sie mit der Zucht der besonderen englischen Jersey-Kühe, denn 2013 tritt die neue Tierschutzverordnung in Kraft, die die Haltung der bisherigen Fleckviehrasse in ihrem Stall untersagt.

*Verarbeitung*
1949, lange nach der «Anbauschlacht Wahlen», begann Stefans Vater René Ulrich, Hopfen anzubauen. Bis 1955 wurden viele Hopfen noch von Hand geerntet. Heute werden die aromatischen Blüten – die Dolden – auf einer Pflückmaschine von den Ranken abgezupft, getrocknet und in 50 bis 60 Kilogramm schweren Ballen verpackt. Die gesamte (getrocknete) Hopfenernte in der Schweiz wird mit Lastwagen in das grösste deutsche Hopfenanbaugebiet, in die bayrische Hallertau – mit über 15 000 Hektaren – gebracht. Dort werden die Hopfen fein gemahlen, die Bitterstoffe standardisiert, und in kleine, zylinderförmige Körper pelletiert, das heisst gepresst.



«Es werden vermutlich immer mehr Bitterstoffsorten angebaut»: Stefan Ulrich, 51, in seinem Hopfengarten in Unterstammheim.
Bild Urs Oskar Keller

#Allgemeines

30. Juni 2011 | Wie Schreibenlernen das Denken formt

Schaffhauser Nachrichten, Feuilleton
Roger Staub

Jüngst überraschte die Meldung in den Medien, dass jeder zehnte Schweizer von «funktionalem Analphabetismus» betroffen ist, also kaum lesen und schreiben kann. «Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans halt später!», das ist das Credo unserer Zeit, in der wir zu lebenslänglichem Lernen verknurrt sind. Sobald der Mensch aufrecht steht, beginnt er zu gehen, seine Kindheit und Jugend durchrennt er förmlich, und wenn er erwachsen ist, joggt, walkt oder spaziert er. Aber immer «geht» er. Auch der 100-Meter-Läufer «geht», was ihn unterscheidet, sind Laufzeit und Technik. Ähnlich verhält es sich mit dem Schreiben, dessen Bedeutung oft noch unterschätzt wird – nicht nur für die kulturelle, sondern vor allem auch für die persönliche Entwicklung.
Von einem Abgänger wird nach zehn Grundschuljahren erwartet, dass er «des Schreibens mächtig» ist, ein – gemessen am Möglichen – etwas grosses Wort. An weiterführenden Schulen wird die Latte höher gesetzt: Am Gymnasium muss der Aspirant beispielsweise Aufnahmeprüfung und Probezeit bestehen – hat er eine Schreibschwäche, muss er diese mit Stärken in anderen Fächern – zum Beispiel in den Naturwissenschaften – ausgleichen. Und er tut gut daran, seine Schreibkompetenz zu erhöhen, will er auf einer Universität oder Hochschule bestehen. Denn spätestens dort werden ihm die Folgen einer «akademischen Legasthenie» drastisch vor Augen geführt, wenn er in kurzer Zeit einen Text abliefern muss oder dem Redefluss der Vorlesung schreibstumm ausgeliefert ist. Die Verwendung des grammatikalisch männlichen Geschlechts schliesst hier auch die Gymnasiastinnen mit ein, wenngleich eine jüngste Studie zum Schluss kommt, dass die Lese- und Schreibkompetenz junger männlicher Erwachsener denen ihrer Kolleginnen etwas hinterherhinkt. Während Mädchen immer noch vermehrt lesen, sitzen die Jungen länger am Computer.
Die Hochschulen beklagen sich über formale Schwächen, die einen Text zuweilen bis zur Unkenntlichkeit verstümmeln. Da hilft kein Autokorrekturprogramm und – dank ausgereifter Fahndungsprogramme – inzwischen auch kein Plagiieren. Ghostwriter helfen bereitwillig, lassen sich ihre Dienste aber teuer bezahlen – für eine Seminararbeit bis zu fünftausend Franken. Zudem schiebt man das Problem vor sich her, und wenn’s herauskommt, kann man das Studium (oder das Ministeramt) vergessen.
Besser ist es da schon, wenn die Studierenden gut gerüstet an die Universität gehen. Eine anspruchsvolle Aufgabe für die Gymnasien. «Lesen und Schreiben» gehören im Fächerkanon und unabhängig vom gewählten Profil zu den Grundkompetenzen. Das Fach Deutsch bedient sozusagen die anderen Fächer, die auf Präzision im sprachlichen Ausdruck angewiesen sind, um ihre anspruchsvolle Disziplin vermitteln zu können.
Der vertiefte Erwerb einer eigenen Sprache auf der Grundlage unserer Kultur ist für viele Anwärter einer sogenannten Mittelschule zuerst einmal anstrengend. Am Beginn eines jeden Lernprozesses steht die «Enttäuschung», hier die Enttäuschung, der eigenen Gedanken- und Erfahrungswelt keine adäquate Sprache zur Seite stellen zu können. Deshalb beschränkt sich der Schreibunterricht an den öffentlichen Schulen nicht mehr auf die obligaten drei «Aufsätze» je Semester, die dann auch noch benotet werden. Kreatives Schreiben hat längst Einzug in die öffentlichen Schulen gehalten, auf allen Stufen und oft verbunden mit öffentlichen Veranstaltungen, beispielsweise unter Anleitung erfahrener Autoren, an denen die Schüler einen selbst verfassten Krimi oder ein Gedicht vortragen.
Nun macht kein Turnunterricht aus einem Sportmuffel einen Spitzenathleten, doch verhilft er ihm zu mehr Bewegungsfreiheit und körperlichem Wohlbefinden. Doch einige werden auch Spitzensportler – übertragen auf den Deutschunterricht zu Schriftstellern oder Autoren. Denn auch das ist – nebenbei – die Aufgabe des gymnasialen Unterrichts in allen Fächern: Talente aus ihrem Schlaf zu wecken.
Die Hochschulen haben es immer mehr auf «die schnelle und präzise Rezeption und Produktion von Texten» abgesehen. Doch «Schreiben und Lesen» beinhaltet weitaus mehr als die Vermittlung von nützlichen Fertigkeiten; nämlich das Erfassen der inneren und äusseren Wirklichkeit, reflexive Denkschulung und schöpferisches Gestaltungsvermögen.
So wie der Mathematikunterricht das abstrakte Vorstellungsvermögen erhöht, so erweitert der Schreibunterricht – wie übrigens alle Kunst- und Sprachfächer – die Möglichkeiten des individuellen Ausdrucks sowie die geistige Fantasie. Er ermöglicht, sich «der Welt zu bemächtigen» – analytisch wie musisch, objektiv wie individuell. Und die Segnungen einer vertieften Sprachkompetenz müssen ja nicht alle messbar sein; Psychologen ist die therapeutische Wirkung von Schreibprozessen als Teil der menschlichen Kreativität seit Längerem bekannt.
Im Zeitalter der rasenden Bilder (neue Medien) zwingt Lesen und Schreiben zur Entschleunigung, hier geht nichts schnell, hier unterliegt alles der gestalterischen Sorgfalt. Diese öffnet auch den Blick für die Literatur und die Kunst ganz allgemein, welche in Zeiten ökonomischer und technischer Prioritäten gerne vernachlässigt werden, aber unverzichtbarer Bestandteil einer (auch im wissenschaftlichen und sozialen Sinne) schöpferischen Kultur ist.

Roger Staub unterrichtet an der Kantonsschule Schaffhausen. Er berichtet hier von seinen persönlichen Erfahrungen als Deutschlehrer und nicht aus offizieller Sicht der Schule als Institution.


**Vielfältig Das Lese- und Schreibangebot an der Kantonsschule**

An der Kantonsschule von Schaffhausen bemüht man sich auf verschiedenen Ebenen um die Förderung der Schreibkompetenz. Die intensive Lektüre anspruchsvoller Texte und die analytische Betrachtung des Hochdeutschen verfeinern das Sprachgefühl. Doch genügt das nicht, um den Ausdruck nachhaltig zu verbessern – es muss vor allem geschrieben werden: So werden im Halbklassenunterricht Texte verfasst und vorgetragen. Der intime Rahmen fördert das Vertrauen in die eigenen Texte und ermöglicht eine intensive Betreuung, die notwendig ist, damit bei jedem Schüler dort angesetzt werden kann, wo es stockt.
Im zweiten Schuljahr wird eine Facharbeit geschrieben, gewissermassen als Probelauf für die Maturaarbeit. Jährlich finden Wettbewerbe mit überregionaler Ausstrahlung statt – zum Beispiel Slam-Poetry, aber auch Förderwettbewerbe, welche dem Schreiben das entsprechende Prestige verleihen und den Talenten eine Plattform für ihr überdurchschnittliches Können bieten – ähnlich den Anlässen, wie man sie aus dem mathematisch-naturwissenschaftlichen Bereich kennt. (rst)

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9. Juni 2011 | Aufbruch in unerforschte Welten

Schaffhauser Nachrichten Schaffhausen/Neuhausen
Daniel Jung

Bereits am Montag war auf dem Pausenplatz der Kantonsschule ein UFO gelandet. Allerdings wurde aus Sicherheitsgründen von der Alien-Kontrollbehörde «Men in Black» ein Zelt um das Flugobjekt herum errichtet. Diese ausserirdische Ankunft hatte in der Kanti einige Unruhe hervorgerufen, waren doch seither auf dem Gelände zahlreiche Reporter unterwegs, dargestellt von Maturandinnen und Maturanden. Ebenfalls trat eine Hippie-Sekte auf den Plan, die in der Ankunft des Raumschiffs entweder das Ende der Welt oder den Anfang einer intergalaktischen Umarmung erkannte. Daneben lieferten sich die in schwarze Anzüge gekleideten und mit Sonnenbrillen und Laserpistolen ausgerüsteten «Men in Black» und die verschiedenen ausserirdischen Lebensformen wilde Wasserpistolenschlachten.

Kostümierte Kantischüler
In ihrer letzten offiziellen Schulwoche vor den Prüfungen gehen die Schülerinnen und Schülder der vierten Kantiklassen traditionell verkleidet in den Unterricht – sofern sie diesen überhaupt noch besuchen. Gestern gipfelte ein solches Kostümspektakel wieder einmal in einem unterhaltsamen Anlass für die ganze Schule, der sich nach anfänglichen Spässen und Kapriolen in den Schulhäusern hauptsächlich in der grossen Dreifachturnhalle auf dem Munot abspielte. Dort mussten die unteren Schulklassen jeweils einen thematisch passenden Beitrag vorführen. Die Klassen des sprachlichen Profils hatten eine Weltraumversion des Märchens vom bösen Wolf und den sieben Geisslein ohne Worte darzustellen. Die Schüler des musischen Profils hatten die Aufgabe erhalten, einen Rap zur Kommunikation mit den Ausserirdischen zu erarbeiten – leider waren diese Darbietungen mehrheitlich kaum zu verstehen, sei es wegen der Akustik in der Halle oder der fehlenden Koordination der Sprechsänger. Als humoristischen und obszönen Höhepunkt waren die Klassen des naturwissenschaftlichen Profils angehalten worden, ein Verhütungsmittel für Aliens zu entwickeln. Diese abstrusen Instrumente präsentierten die Gruppen unter grossem Gelächter vor ihren Mitschülern. Ebenfalls wurde in der Halle der «goldene Erstklässler» gewählt – diese Ehre fiel Dilan Rama zu. Neben der «schwärzesten Raucherlunge» wurde auch das beliebteste Kanti-Pärchen ausgezeichnet – hier erhielten Nadine Frei und Alexander von Stegmann am meisten Applaus. Zuvor hatte hatte jedoch Rektor Urs Saxer mit pinkfarbener Perücke und heliumerhöhter Stimme den unteren Klassen erklärt: «Der normale Schulalltag geht um 13 Uhr weiter.»



Ein junger Mann mit Schädelmaske und die vier Maturandinnen Irina Lerch, Isabelle Kohler, Jessica Huber und Yvonne Burger gestern Vormittag am Maturstreich.
Bild Selwyn Hoffmann

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8. Juni 2011 | Keiner zu jung, um Firmenchef zu sein

Schaffhauser Nachrichten; Region
Christoph Aebi

Kurz vor acht Uhr morgens beim Landhaus hinter dem Bahnhof Schaffhausen: Gegen 70 Jugendliche warten auf einen Extrabus. Es herrscht Schulausflugsstimmung. Das Ziel der Fahrt ist jedoch nicht etwa ein Vergnügungspark, sondern das Ausbildungszentrum Klostergut Paradies in Schlatt/TG, ein Klarissenkloster aus dem 13. Jahrhundert. Das direkt am Rhein in einem wunderschönen Park gelegene Anwesen wird als Ort angepriesen, an dem man «fern vom Alltag konzentriert und kreativ arbeiten kann».
Dies ist die Absicht der Kantonsschule Schaffhausen, die im Klostergut zweimal jährlich ihre Wirtschaftswoche durchführt. Das ursprünglich durch die Ernst-Schmidheiny-Stiftung entwickelte Konzept findet in der ganzen Schweiz regen Anklang. An der Kantonsschule Schaffhausen können seit 1972 alle Schülerinnen und Schüler, entweder in der 3. oder 4. Klasse, einmal davon profitieren. Die Wirtschaftswoche bietet gemäss Urs Saxer, Rektor der Kantonsschule Schaffhausen, «einen praxisbezogenen Einblick in die Funktionsweise der Wirtschaft, um dadurch das Verständnis für wirtschaftliche Zusammenhänge zu fördern». Als Basis fungiert eine computergestützte Unternehmenssimulation, mit deren Hilfe die Schüler konkrete Entscheidungen aus verschiedenen Führungsebenen einer Unternehmung treffen können. In dieser Woche reisen Schüler und Schülerinnen aus vier Klassen sowie sieben Lehrlinge aus der Region täglich nach Schlatt. Die Klassen werden gemischt und neu zusammengestellt. Dies fördert laut Urs Saxer die Gruppendynamik. Für den Praxisbezug sorgen Führungskräfte aus der Wirtschaft. An diesem Dienstagmorgen vermittelt der 30-jährige Mathias Weber, Verkaufsleiter Homecare bei der IVF Hartmann AG, im «Habsburgerzimmer» des Klostergutes seiner Klasse alles Wissenswerte über das Marketing einer Firma. Er tut dies kompetent und mit anschaulichen Beispielen. Die Schüler und Schülerinnen sind eher scheu, zurückhaltend, aber, wie Mathias Weber betont, «oberpünktlich und sehr diszipliniert». Er macht die Klasse darauf aufmerksam, dass Marketing nicht nur aus Werbung besteht, sondern Selektion, Akquisition und Bindung der Kunden ebenso wichtig sind. Zu Beginn der Woche bildeten die Schüler in der Klasse vier Gruppen und somit vier Unternehmen. Mathias Weber erteilte ihnen den Auftrag, die Geschäftsstrategien für ein Produkt mit einem Maximalwert von 70 Franken zu bestimmen. Mittels Brainstorming generierten die Gruppen Ideen wie die Herstellung von Wein, Mes- sersets, Sesseln oder Steigbügeln. Schliesslich entschieden sich die Schüler, mit ihren soeben gegründe-ten Unternehmen Kontaktlinsen herzustellen. Nun sitzen die frischgebackenen Repräsentanten und Repräsentantinnen der «Clear View AG», der «Swiss Lens Company», der «Öko Eye AG» sowie von «Eagle Eye» gespannt im Raum. Mathias Weber erteilt ihnen nach einem kurzen Theorieblock den Auftrag, ein Kommunikationskonzept für ihre Unternehmen auszuarbeiten. Die Kreativität der Jungunternehmer und Jungunternehmerinnen ist gefragt. «Öko Eye», welche für die ökologische Produktion ihrer Linsen nur brasilianischen Kautschuk verwendet, appelliert an das soziale Gewissen. Die «Clear View AG» stellt die anhaltende Feuchtigkeit und die lange Tragbarkeit ihrer Produkte in den Vordergrund. Die Resultate werden am Donnerstag in der Klasse präsentiert. Zuvor dürfen sich die Schüler auf den Mittwoch freuen. Dann erhalten sie einen Einblick in ein reales Unternehmen der Region.


**Vier Teilnehmende Erwartungen an die Wirtschaftswoche und Rückblick auf die ersten zwei Tage**

Armin Ajdarpasic (Klasse 3ma): Es ist sehr interessant, zu sehen, wie die Wirtschaft funktioniert. Die Zusammenhänge sind auf den ersten Blick jedoch eher schwierig zu verstehen. Auch ist es nicht ganz einfach, im Unternehmensplanspiel Entscheidungen zu treffen.

Sabine Schäppi (Klasse 3mc): Ich möchte viele interessante Dinge erfahren und den Schulstoff aus der Kanti weiter vertiefen. Wir haben es lässig in unserer Gruppe, und der Unterricht ist spannend. Nun freue ich mich auf die Firmenbesichtigung, welche für den Mittwoch geplant ist.

Marijan Rajan (Automatikerlehrling, Bircher Regiomat AG): Als mich mein Lehrmeister angefragt hat, ob ich bei der Wirtschaftswoche mitmachen möchte, habe ich sofort zugesagt. Zu den praktischen Kenntnissen aus meiner Ausbildung erhalte ich hier noch zusätzliche Theorie.

A. K. (Klasse 3sc): Ich möchte Einblick erhalten, wie es in der Wirtschaft wirklich abläuft. Am ersten Tag mussten wir Entscheidungen treffen, ohne deren Auswirkungen zu kennen. In der Realität ist es jedoch auch so, dass man nicht weiss, wie sich der Markt entwickelt.


**Nachgefragt**

«Die Jugend ist das Kapital von morgen»

Andreas Gisler ist CEO der IVF Hartmann Gruppe sowie Vorsitzender der Bildungs- und Personalkommission der Industrie- & Wirtschaftsvereinigung Schaffhausen (IVS). Die IVS unterstützt die Wirtschaftswochen der Kantonsschule Schaffhausen seit ihren Anfängen.

*Herr Gisler, wie gross ist das Engagement der Industrie- & Wirtschafts- vereinigung Schaffhausen (IVS) bei den Wirtschaftswochen der Kantonsschule Schaffhausen?*
Andreas Gisler: Die direkt bezifferbaren Kosten der Wirtschaftswochen, beispielsweise für die Infrastruktur, betragen mehrere Tausend Franken pro Jahr. Die IVS stellt jedoch auch Führungskräfte als Lehrpersonen zur Verfügung. Aus meiner Firma, der IVF Hartmann AG, unterrichten zum Beispiel ein Verkaufsleiter sowie der IT-Chef die Schüler. Diese Führungskräfte sind während einer ganzen Woche nicht in der Firma. Die zwei Wirtschaftswochen (inklusive Infrastruktur, Lehrpersonen, Sozialtag etc.) kosten somit effektiv ungefähr 100 000 Franken pro Jahr.

*Wieso engagiert sich die IVS derart grosszügig, und was erhofft sie sich davon?*
Gisler: Wir von der IVS sind überzeugt, dass die Jugend das Kapital von morgen ist. Deshalb ist es sehr wichtig, die Jugendlichen auch in praxisbezogenen Wirtschaftsfragen weiterzubilden. Es ist jedoch nicht primär das Ziel zu sagen: «Ich gebe dir etwas, damit du mir auch etwas zurückgibst.» Wir handeln eher nach dem Motto: «Tue Gutes und sprich darüber.»

*Welche Erfahrungen hat die IVS mit der Unterstützung der Wirtschaftswochen gemacht?*
Gisler: Die Erfahrungen sind extrem positiv. Dies betrifft sowohl die Rückmeldungen vonseiten der Schülerinnen und Schüler als auch vonseiten der Berufslernenden und der Fachlehrer.
Interview Christoph Aebi

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31. Mai 2011 | Festival de Cannes in Schaffhausen

Schaffhauser Nachrichten, Stadt Schaffhausen
Linda Hatt

Wie jedes Jahr kurz vor den Maturaprüfungen ging der Maturaball der Kantonsschule Schaffhausen und der Fachmittelschule FMS über die Bühne. Dabei ging es bei den Damen natürlich darum, für einmal ein kleiner Star zu sein. Es gab eine grosse Vielfalt an Kleidern zu sehen, von kurz über lang, von klassisch bis hin zu modern. Auch den Farben der Kleider waren keine Grenzen gesetzt, jedoch hielten sich viele Ladys dann doch an dunkle und schlichte Farben, mutige wagten sich jedoch auch an knallrote Roben. Zu den Kleidern mussten selbstverständlich auch die Frisur, die Accessoires und die Schuhe passen. Wobei die eine oder andere dabei erwischt wurde, wie sie ihre Highheels im Laufe des Abends dann doch gegen Ballerinas austauschte. Einige leisteten sich auch extra eine Coiffeurbesuch und liessen sich aufwendige Hochsteckfrisuren machen. Obwohl das Outfit für die Männer wohl eher sekundär war, wussten auch sie sich anzuziehen. Die meisten erschienen in Smoking, und manch einer hatte seine Krawatte sogar dem Kleid der Begleiterin angepasst.
Am Eingang war ein roter Teppich ausgerollt worden, wie für die Filmfestspiele in Cannes. Denn der diesjährige Ball stand unter dem Motto Festival de Cannes. Dieses Motto passe genau in die Zeit, da die echten Festspiele erst gerade über die Bühne gegangen seien, meinte Jasmin Licina vom OK. Sie fügte an, dass die Organisation des Anlasses sehr zeitaufwendig und teilweise kompliziert gewesen sei. Doch der Aufwand hatte sich gelohnt, die Besucher schienen auch alle zufrieden zu sein. «Es isch lässig, besser, als mir erwartet händ», bestätigten zum Beispiel Jonas Busshard und Valerie Lüddecke. Was das Tanzen, also den eigentliche Grund des Anlasses betraf, lief es zumindest zu Beginn etwas harzig. Denn der DJ vergriff sich etwas im Musikstil. Zu elektronischer Musik fiel es den meisten Maturanden schwer, die Tanzschritte aus dem extra zuvor besuchten Tanzkurs umzusetzten. Sie vertrieben sich die Zeit an der Bar, beim Plaudern und am reichhaltigen Dessertbuffet. Teilweise ging es auch etwas hektisch her und zu, wenn sich die ganze Klasse zum Fototermin einfinden sollte. Wie jedes Jahr war ein Fotograf anwesend, der alle Klassen zu einem Foto zur Erinnerung an die Kantizeit ablichtete. Die Stimmung wirkte sehr ausgelassen. Somit war es ein gelungener Abend, um Spass zu haben, sich einmal wie ein Sternchen zu fühlen und ein letztes Mal mit den Mitschülern zu feiern.

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30. Mai 2011 | Olympisches Training mit Oxalsäure

Schaffhauser Nachrichten, Stadt Schaffhausen
Conradin Leeser

Natriumchlorid, Salpetersäure, Kaliumhiocynat, Wasserstoffperoxid. Die braunen und weissen Bouteillen stehen in Reih und Glied, eine nach der anderen. Sorgfältig dem Dichtegrad nach aufgereiht, grosse Flaschen und kleine Fläschchen, der Totenkopf auf rotem Etikett mahnt zur Vorsicht. Erster Gedanke: Wenn das mal nicht richtig «chlöpft und tätscht»! Lucia Meier scheint Gedanken zu lesen: «Die meisten Chemiestudenten kommen wohl tatsächlich über das ‹Chlöpfen› zur Materie», so die angehende Chemikerin mit einem Schmunzeln, «zumindest die Männer.» Sagts und schaut zu ihrem Kollegen Sebastian Keller, der wie sie an der ETH Zürich, Ziel: Masterdiplom, studiert. Die beiden Aargauer beehrten Schaffhausen am Samstag indes nicht explosiver Reaktionen wegen, vielmehr kamen sie in olympischer Mission: die Chemieolympiade ruft. Oder besser: Die Vorbereitungskurse dazu. Säure-Basen-Titration, Redox-Titration, chemische Berechnungen – die beiden Studenten vertiefen mit Olympiakandidaten das theoretische und praktische Einmaleins der Chemie – unter anderem an der hiesigen Kantonsschule. Dass die Kanti das Projekt unterstützt, ist für Prorektor und Chemielehrer Thomas Stamm selbstverständlich: «Schüler und Kursleiter investieren sehr viel in diese Kurse – das möchten wir wertschätzen.» Umso mehr, als die Olympiade einiges von den Teilnehmern abverlangt: «Das Basiswissen muss sehr solide sein, und auch wissenschaftliche Kreativität ist gefragt – organische Probleme sind teilweise sehr abgefahren.» Den Schülern dürfte dabei entgegenkommen, dass ihnen die Lehrer bei Fragen mit Rat und Tat zur Seite stehen – mitunter ein Verdienst der guten Beziehung zwischen Schülern und Lehrern, ist sich Stamm sicher. «Dadurch, dass wir es miteinander gut haben, können wir auch gut motivieren und unterstützen.» Stellt sich die Frage: Kommt der nächste Olympiasieger aus Schaffhausen? Stamm zeigt sich optimistisch: «Die Chancen sind absolut intakt.» Marion Thalmann, eine der Schaffhauser Olympiakandidatinnen, sieht die Sache derweil etwas pragmatischer: «Man lernt viel, und es ist durchaus eine interessante Erfahrung – wenn es mit Olympia nicht klappt, dann habe ich immerhin schon den Maturastoff repetiert.»

Langer Atem ist bei diesem Versuch gefragt: Sebastian Keller bläst mittels einer Pipette Atemluft – und damit auch Kohlenstoffdioxid – in die Wasserlösung. Der Indikator reagiert dabei auf die eintretende Kohlensäure, wodurch sich bei der Flüssigkeit eine Farbveränderung einstellt.

Genaues Arbeiten ist nebst solidem Basiswissen unabdingbar: Marion Thalmann und Jonas Freitag arbeiten an einer chemischen Analyse. Die Motivation? «Ich möchte später Richtung Chemie studieren – das ist jetzt ein guter Test, ob mir die Materie auch wirklich gefällt», so Freitag.

Redox-Titrationen sind Standardlaborversuche, die an der Chemieolympiade geprüft werden. Kantischülerin Melanie Gut erklärt die bunte Reaktion wie folgt: «Hier wird Kaliumpermanganatlösung in Wasser mit Oxalsäure gegeben. Ist keine Oxalsäure mehr vorhanden, wirds violett.»

E Kursleiter und Olympiaveteranen zugleich: Lucia Meier und Sebastian Keller waren selbst zweimal als Teilnehmer an der Chemieolympiade dabei. «Es war eine tolle Erfahrung – nicht nur die Chemie, sondern auch der Kontakt mit den anderen Nationen ist sehr spannend.»

**Chemieolympiade Fakten zum Wettbewerb**

Die Chemieolympiade ist ein jährlicher Wettbewerb, bei dem sich je vier Schülerinnen und Schüler aus 60 Nationen in theoretischer und praktischer Chemie messen. Teilnahmeberechtigt sind Schüler unter 20 Jahren, nicht aber Studenten. Wissenschaftsolympiaden gibt es auch für Physik, Mathematik und weitere Disziplinen. Die Vorbereitungskurse dienen der Vertiefung der zentralen chemischen Stoffgebiete und üben die Bearbeitung olympischer Aufgabenstellungen – unter anderem chemische Analysen im Labor. An den Kursen für die Nordostschweiz, die in St. Gallen und Schaffhausen stattfinden, nehmen 17 Schüler teil, darunter fünf Schaffhauser. Die Vorbereitungen erfolgen gezielt auf die Schweizer Vorausscheidung im Oktober 2011, an der aus rund 200 Teilnehmenden die vier Finalisten bestimmt werden, welche 2012 an die Chemieolympiade nach Washington D. C. reisen werden. Getragen werden die Förderkurse durch die Herisauer Stiftung Methrom.

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25. Mai 2011 | Platzverbot für König Alkohol

Neue Zürcher Zeitung
Joachim Güntner

Trinker, zieht euch warm an! Oder vielleicht auch besser nicht, denn ihr könntet dadurch nur noch durstiger werden. Was ungelegen käme, denn die Gegner des fröhlichen Zechens rüsten auf. Gerade jetzt führen Liechtenstein, Deutschland und die Schweiz eine Aktions- bzw. Dialogwoche gegen den Alkohol durch. Noch fehlt zwar solchen Initiativen die ganz grosse Resonanz. Doch es scheint, als habe das Trinken seine freizügigsten Zeiten hinter sich. Überall wird über Lenkungsabgaben und Platzverbote nachgedacht. Alkoholika sollen verteuert, Alterslimiten für die Kunden heraufgesetzt, nächtliche Ladenverkäufe begrenzt und Gelage aus dem öffentlichen Raum verdrängt werden.

Säufer und Abstinenzler
Liest man einmal quer durch die Websites der deutschen «Aktionswoche Alkohol», möchte man auf der Stelle trocken werden. Da findet sich von den Wonnen des Trinkens nichts, von seinen schrecklichen Folgen alles: Alkoholkonsum macht abhängig, schädigt die Organe und steigert das Krebsrisiko, der Genuss trübt Wahrnehmung und Verstand. Die nach den ersten Gläsern eintretende gute Laune hält oft nicht lange vor, kippt um in Reizbarkeit. Alkohol ist ein Katalysator für Gewaltexzesse. Ob bei Schlägereien am Rande von Sportveranstaltungen oder bei Vergewaltigungen, ob bei den hinter verschlossenen Türen malträtierten Familienangehörigen oder bei den von Kameras dokumentierten spektakulären Brutalitäten in der U-Bahn – regelmässig ist Alkohol im Spiel. Nicht erst der Schläger, schon der aggressionsfreie Süchtige fällt als unangenehmer Zeitgenosse auf. Schwerer Trunk deformiert seinen Charakter und lädiert seine Arbeitsfähigkeit. Wer alkoholkrank ist, ist wirklich krank. Er hat nicht etwa nur ein Zipperlein, da gibt es wahrlich nichts zu beschönigen. Erst recht nicht, wenn davon bereits Kinder und Jugendliche betroffen sind.
Wahrscheinlich wird es Bier, Wein und Schnaps so ergehen wie den Zigaretten: Der Konsum wäre dann nur noch an wenigen Orten erlaubt, und die Etiketten der Genussgifte lauteten etwa: «Chianti 2015. Vorsicht: Ausgiebiger Verzehr von Wein kann zu Leberzirrhose und frühem Ableben führen.» Kommt es dahin, dass endlich nicht nur die Massenware, sondern selbst der 1999er Château Margaux Premier Grand Cru classé derlei Warnungen trägt, so ist es auch mit dem klassenbewussten Saufen vorbei. Noch kann sich ja der Weintrinker mit exquisitem Geschmack und entsprechendem Geldbeutel in dem Selbstbewusstsein sonnen, seine kultivierte Passion für einen exzellenten Roten habe nichts gemein mit den Tafelweinfreuden der suchtgefährdeten Stände. Eine gleichmacherische Kennzeichnungspflicht der Gesundheitsgefahren auf jeder Bouteille wäre da ein arger Schlag ins Kontor.
Man sage nicht, Alkoholpolitik sei wirkungslos, denn wer seinen Stoff wolle, bekomme ihn auch. Es macht schon einen Unterschied, ob der Zugang leicht- oder schwerfällt. Nach Statistiken der Weltgesundheitsorganisation liegt der Pro-Kopf-Konsum von Alkohol in Ländern mit hohen Preisen und strengen Auflagen deutlich unter demjenigen von Ländern mit einer laxen Praxis. Setzt sich das Vorbild Skandinaviens durch, haben nicht nur die Botellones ein Ende, sondern auch das meditative Sitzen am Quai oder vor der Haustür mit dem Glas in der Hand. Als wir kürzlich nach einer Lesung in Stockholm nichtsahnend nach draussen gingen, um den nach der Veranstaltung servierten Weisswein in frischer Luft auszutrinken, waren sofort Mahner zur Stelle, die «Verboten!» riefen. Die auf dem Trottoir plaudernden Gäste wurden vorsorglich nach ihren Getränken sortiert: Nur wer Nichtalkoholisches an die Lippen führte oder gar nichts trank, durfte bleiben, die andern mussten wieder hinein. Dabei handelte es sich durchweg um wohlgesetzte Personen mit – so hätten wir früher gesagt – untadeligem Benehmen. Dort in Schweden aber reichte ein Fingerbreit Wein im Glas für eine Gesetzesübertretung. Sieht so unser aller Zukunft aus?
«Weniger ist besser!», lautet das Motto der Aktionswoche Alkohol. Weniger, beruhigt sich über diesen Worten der Trinker, ist immer noch mehr als nichts. Die Geschichte der Alkoholgegner ist geprägt von zwei Fraktionen: den moderaten Verfechtern der Mässigung und den Fanatikern der Abstinenz. Zu Letzteren zählte etwa Alfons Fischer, vor hundert Jahren Kämpfer für soziale Hygiene in Baden, für den bereits ein Säufer war, «wer auch nur ein Glas Bier trinkt». Oder Fischers Zeitgenosse Gustav von Bunge, ein Professor für Physiologie in Basel, der predigte: «Ein Mensch, der auf die alkoholischen Getränke vollständig verzichtet, entbehrt gar nichts, er gewinnt nur an Lebensglück und Lebensfreude.»
Spätestens hier ist der Punkt erreicht, wo wir zaghaft zu widersprechen wagen. Nichts gäbe es zu entbehren? Was ist mit dem angenehmen Kick, der zu spüren ist, wenn nach einem tiefen Schluck der erste Alkohol die Blutbahn erreicht und der Nüchternheit einen – vorerst noch sanften – Rempler versetzt? Was mit der Entspannung, dem Verdämmern der Sorgen, der Erwärmung der Glieder? Was mit den diversen Formen einer allseitig erhöhten Bereitschaft, seien es nun die Gesprächs- oder aber die Paarungsbereitschaft? Man kann sich Gegner freundlich und Frauen schön trinken – ist das nichts? Dabei haben wir die Trostfunktion des Alkohols nicht einmal erwähnt. Dieser Trost kann sehr schal sein, das stimmt zweifellos, vor allem am nächsten Morgen. Und doch gab und gibt es Momente, da man seiner schwerlich entbehren mag. «Der Branntwein ist ihnen fast die einzige Freudenquelle», schrieb Friedrich Engels über die Ärmsten des Industrieproletariats. Für sie berge der billige Trank die Gewissheit, «im Rausch wenigstens für ein paar Stunden die Not und den Druck des Lebens zu vergessen».
Als sozialistischer Theoretiker prangerte Engels die Umstände an, nicht den Säufer, nicht den Fusel. «Die Trunksucht hat hier aufgehört, ein Laster zu sein, für das man den Lasterhaften verantwortlich machen kann», schrieb er. Die bürgerliche Tugendlehre kann dies keinesfalls akzeptieren. Auch wer darbt, darf sich nicht einfach gehenlassen. Der «Pest» des Saufens zürnte schon Martin Luther, und das Schrifttum der Reformatoren ist voll von Invektiven gegen dies «grewliche laster», aber zur Verehrung der Nüchternheit kommt es erst mit dem Aufstieg des Bürgertums zur tonangebenden Klasse. Man muss masshalten, verzichten und die Selbstkontrolle bewahren können. Schriftsteller gelten als besonders anfällig für alkoholische Getränke, indessen passt es ins Bild, dass Thomas Mann, der Inbegriff eines Bürgers, nur wenig trank und ein äusserst disziplinierter Autor war. Trocken und fleissig war auch der von seinem Arbeitgeber sehr geschätzte Franz Kafka.
Freilich ist die Liste trinkfreudiger Literaten sehr lang. Auf ihr finden sich so unterschiedliche Naturen wie E. T. A. Hoffmann, Heinrich Heine, Edgar Allan Poe, Hans Fallada, Dylan Thomas, Friedrich Dürrenmatt oder Martin Walser. Besonders eindrucksvoll ist die Parade amerikanischer Literaturnobelpreisträger: Sinclair Lewis, Eugene O’Neill, William Faulkner, Ernest Hemingway, John Steinbeck – lauter Alkoholiker. Peter Richter hat in seinem kürzlich erschienenen Buch «Über das Trinken» (eigentlich ist es eher ein amüsantes Plädoyer dafür als bloss ein Buch darüber) daran erinnert, dass «schon Plutarch seine Sachen schrieb», und er kommt zu dem Schluss: «Schreiben ist ideal zum Trinken.» Bei der Schriftstellerei geht der Griff zur Flasche als Teil der Arbeitsroutine durch. In anderen Jobs hingegen würde man damit einen Rauswurf riskieren.

Ein Recht auf Rausch
Statistisch gesehen ist der Gesamtkonsum von «reinem Alkohol pro Kopf» in Europa rückläufig. Die «Branntwein-Seuche», die sich im 16. Jahrhundert unter der armen Landbevölkerung ausbreitete und mit der Industrialisierung dann auch die Städte erfasste, liegt hinter uns. Soldaten erhalten nicht mehr – wie etwa im Dreissigjährigen Krieg – einen Teil ihres Solds in Branntwein ausgezahlt, und das «Koma-Trinken» der Jugend heute wird man schwerlich mit dem Elendsalkoholismus vergleichen wollen, der Friedrich Engels beschäftigte. Trinken um die Wette, und dies bis zur Bewusstlosigkeit, ist übrigens kein Novum. Laut Johannes Lindenmeyers Informationen zur Alkoholabhängigkeit («Lieber schlau als blau», 2005) teilte sich erstmals im 17. Jahrhundert die Bevölkerung in mässige und unmässige Trinker – wobei der Exzess immer eine Sache der Minderheit blieb.
Sorgt sich nun unsere Gesundheitspolitik um Alkoholkranke und Koma-Trinker, wendet sie ihre Teilnahme mit Recht an hilfsbedürftige Gruppen. Nimmt sie aber deren Exempel, um auch gleich die Mehrheit mit Restriktionen zu belegen, so verdient dies Widerspruch. Jugendschutz und Aufklärung sind gut, übergreifende Gängelung ist übel. Unsereins ist beim Trinken schon mit einem Schwips zufrieden. Doch gegen das Regime der Verbote würden wir jederzeit ein Recht auf Rausch behaupten.

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18. Mai 2011 | Die Zukunft liegt in Asien – und hier

Schaffhauser Nachrichten, Regionale Wirtschaft
Philipp Lenherr

Schaffhausen «Global aktiv, in Schaffhausen zu Hause» lautete der Titel des Referats von Yves Serra, seit 2008 CEO von GF. Deutlich über 100 Personen, darunter ehemalige und aktive Mitglieder Handelsschulverbindung sowie rund 30 Schüler und Schülerinnen der Handelsschule KVS und der Kantonsschule Schaffhausen, sind am vergangenen Montagabend in den Gewölbekeller des Haberhaus Kulturklubs in der Schaffhauser Neustadt gekommen, um die 6. Commercia-Wirtschaftsdebatte zu verfolgen. Dort erfuhren sie aus erster Hand, wie sich GF positioniert, um auch in Zukunft erfolgreich zu sein, und welche Anforderungen an die Mitarbeitenden gestellt werden.

Ambitionierte Ziele
GF hat mit dem in diesem Frühling präsentierten Jahresergebnis 2010 bewiesen, dass der Konzern die Krise überwunden hat. Grund für eine Verschnaufpause ist das nicht. Stattdessen will GF den Umsatz von 3,4 Milliarden Franken aus dem Jahr 2010 bis ins Jahr 2015 auf 5 Milliarden Franken steigern. Möglich werden soll dies vor allem durch die boomenden Märkte in asiatischen Ländern, allen voran in China, wo GF bereits seit längerer Zeit präsent ist. «Vor zehn Jahren waren die USA und Europa unsere wichtigsten Märkte. Nun verschiebt sich das Gewicht mehr und mehr nach Asien», begründete Serra die strategische Ausrichtung auf diese Märkte. Eine Gefahr für die Standorte in der Schweiz und den Hauptsitz in Schaffhausen? Nein, sagt Yves Serra. Obwohl GF beispielsweise in China Fabriken betreibt, soll das Know-how in der Schweiz bleiben. Für viele Produkte, die in China hergestellt werden, werden wichtige Teile benötigt, die aus der Schweiz kommen. Wichtig für GF seien auch Standortvorteile der Schweiz wie das allgemein attraktive Geschäftsumfeld und die Verfügbarkeit von gut ausgebildeten Fachkräften. 10 bis 15 Millionen Franken jährlich investiert GF laut Serra in den Standort von GF Piping Systems in Schaffhausen. Das hoch automatisierte Werk arbeite trotz starkem Schweizer Franken sehr erfolgreich und erziele gute Renditen. «Es ist nicht unmöglich, in der Schweiz auch produzieren zu können», so Serra. Als wichtigste Anforderungen an aktuelle und zukünftige Mitarbeitende nannte er Auslandserfahrung – «das erweitert den Horizont». Auch sollte man sich flexibel zeigen bezüglich der Funktion im Unternehmen und des Arbeitsorts. Und ganz wichtig: «Der Wille, Leistung zu bringen».

«Ein reiner Glücksfall»
In der Fragerunde fühlte der Moderator des Abends, Martin Schläpfer, Chef Wirtschaftspolitik beim Migros Genossenschaftsbund, dem Kapitän des Schaffhauser Industriekonzerns auf den Zahn. So sprach er etwa die Meinungsverschiedenheiten zwischen dem Verwaltungsrat von GF und Giorgio Behr, dem grössten GF-Aktionär, an. Auch die aktuelle Atomausstiegsdebatte wurde angeschnitten. Serra, der selber früher über zehn Jahre lang in Japan gearbeitet und gelebt hat, scheint einem allzu schnellen Ausstieg kritisch gegenüberzustehen. «Wir sollten jetzt keine sprunghafte, überhastete Entscheidung fällen. Wenn selbst die Japaner die Situation mit einem kühlen Kopf betrachten, warum nicht auch wir in Europa?» Für herzhaftes Lachen sorgte Schläpfer schliesslich mit der Anspielung auf Serras chinesische Ehefrau – ob hinter dieser Wahl eine rein strategische Überlegung gestanden sei, wollte er wissen. «Nein», entgegnete dieser, «es war ein reiner Glücksfall!»

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14. Mai 2011 | Die faszinierende Welt der Chemie

Schaffhauser Nachrichten
Erwin Künzi

Am frühen Morgen des 1. November 1986 heulten im Grossraum Basel die Alarmsirenen: In einer Lagerhalle des Chemiekonzerns Sandoz in Schweizerhalle war ein Brand ausgebrochen, der dadurch verursachte dichte Rauch veranlasste die Behörden, eine mehrstündige Ausgangssperre zu erlassen. Die Feuerwehr bekämpfte den Brand, das Löschwasser floss anschliessend in den nahe gelegenen Rhein und löste dort ein Fischsterben aus. Seither war immer wieder vom «Chemieunfall» in Schweizerhalle die Rede. Warum eigentlich, fragt sich nicht nur der Chemiker Daniel Leu: «Wenn ein Flugzeug abstürzt, spricht man doch auch nicht von einem Physikunfall.»

Beitrag zur Welterkenntnis
Ereignisse wie in Schweizerhalle haben der Chemie zu einem schlechten Image verholfen, ein Image, das sie nicht verdient, denn an den Unfällen war nicht sie, sondern menschliches Versagen schuld. Sie spielt ganz im Gegenteil in verschiedenen Lebensbereichen eine wichtige Rolle, denken wir nur etwa an die Rolle der Chemie bei der Entwicklung von neuen Medikamenten. Für Daniel Leu, der die Konsultationsfirma Leu&Partner betreibt und im kantonalen Umweltschutzamt für den Bereich «Radioaktive Abfälle» verantwortlich ist, ist Chemie noch viel mehr: «Sie hat einen philosophischen Beitrag zur Welterkenntnis geleistet.» Dank dem Periodensystem der chemischen Elemente konnte die Natur in ihre Einzelteile zerlegt werden. Neue Kombinationen wurden möglich, Materialien konnten analysiert und zum Beispiel Lebensmittel und Gewässer auf Bestandteile kontrolliert werden, die dort nicht hineingehören.

Wichtiger Teil der Wirtschaft
Leu ist nicht der Einzige, der sich am schlechten Image der Chemie stört. Da die UNO das Jahr 2011 zum Internationalen Jahr der Chemie ausgerufen hat und sich die Verleihung des Nobelpreises für Chemie an Marie Curie, die die Elemente Radium und Polonium entdeckt hat, dieses Jahr zum hundertsten Male jährt, regte Kurt Seiler, Kantonschemiker und Präsident der Naturforschenden Gesellschaft Schaffhausen, an, in Schaffhausen einen Tag der Chemie zu organisieren. Diese Anregung fiel auf fruchtbaren Boden, und so wird heute in der Kantonsschule der Schaffhauser Tag der Chemie durchgeführt, der von Daniel Leu organisiert und von diversen hier ansässigen Chemiefirmen aktiv unterstützt wird. Letztere bilden einen bedeutenden Teil der Schaffhauser Wirtschaft: So ist etwa die Cilag AG mit ihren rund 1000 Arbeitsplätzen der grösste private Arbeitgeber in der Region Schaffhausen. Diese Firmen haben zudem ein vitales Interesse daran, dass sich der Ruf der Chemie bessert. Zurzeit entscheiden sich zu wenige Jugendliche für ein naturwissenschaftliches Studium im Allgemeinen und ein Chemiestudium im Speziellen und fehlen deshalb den Firmen als Arbeitskräfte. Daher richtet sich der Tag der Chemie zwar an die gesamte Öffentlichkeit, möchte aber besonders bei Kindern und Jugendlichen das Interesse für die faszinierende Welt der Chemie wecken. Das soll mit einem breit gefächerten Programm geschehen (siehe Spalte auf dieser Seite); in diesem wird auch versucht, auf kritische Fragen zur Chemie einzugehen und sie zu beantworten.


**Interviews von Erwin Künzi**

**«Antworten liefert oft nur die Chemie»**
*Was fasziniert Sie an der Chemie?*
Kurt Seiler: In der Forschung hat mich die Entwicklung von konkreten Produkten fasziniert. Wie ein Architekt konnte ich neue Moleküle kreieren, herstellen und anschliessend in Sensoren austesten. Es war der praktische Nutzen, der mich anspornte. Dass einige dieser Produkte den Weg auf den Markt gefunden haben, bedeutete zusätzliche Motivation. Heute hilft mir die Chemie, Vorgänge in der Umwelt zu verstehen: Weshalb findet man Antiklopfmittel im Wasser? Wie bildet sich Feinstaub in der Luft? Welche Substanzen sind gefährlich? Antworten sind oftmals nur dank der Chemie zu finden.

*Warum sollen junge Leute Chemie studieren?*
Seiler: Die spannendsten und wichtigsten Prozesse laufen auf der chemischen Ebene ab. Chemisches Verständnis wird uns helfen, die anstehenden Herausforderungen zu meistern.

**«Spass am logischen Denken»**
*Was fasziniert Sie persönlich an der Chemie?*
Simone Hörtner: Ganz besonders gefällt mir an der Chemie die Mischung aus Handwerk und Kopfarbeit, denn beide Komponenten sind entscheidend für erfolgreiches Arbeiten. Weiter begeistert es mich, dass durch chemisches Verständnis und geeignete Analysemethoden die molekulare Struktur eines Stoffes «ersichtlich» wird.
*Warum sollen junge Leute Chemie studieren?*
Hörtner: Ich kann ein Chemiestudium beziehungsweise eine Lehre als Chemielaborant oder Chemielaborantin allen jungen Leuten empfehlen, die gerne Probleme lösen, sich für Naturwissenschaften und Technik interessieren, gerne exakt arbeiten sowie Spass an logischem Denken haben.

**«Das logischste aller Fächer»**
*Was fasziniert Sie an der Chemie?*
Thomas Stamm: Für mich war Chemie bestimmt das logischste aller Fächer. Diesen Eindruck einer logischen und zugleich schönen Naturwissenschaft verdanke ich nicht zuletzt einer engagierten Chemielehrerin (merci, Madame Curie!) und einem begabten Chemielehrer, die mir Erklärungen aufzeigten für Phänomene, die ich aus dem Alltag und meinem Chemiebaukasten kannte.
*Warum sollen junge Leute Chemie studieren?*
Stamm: Chemie ist für jene, die gerne einen Blick hinter die Kulissen werfen, die wie ich verstehen wollen, was die Welt im Innersten zusammenhält, aber auch einfach staunen können über Natur- und Alltagsphänomene, eine spannende und höchst anregende Angelegenheit. Und wer einen Beitrag zur Lösung von vielen Gesellschaftsherausforderungen leisten möchte: Studiert Chemie!

**«Chemie ist extrem vielseitig»**
*Was fasziniert Sie an der Chemie?*
Adrian Thaler: Die Luft, die wir atmen, das Wasser, das wir trinken, die Nahrungsmittel, die wir essen, die Materialien, die uns umgeben, alles ist Chemie. Es ist die Stoffvielfalt, die mich fasziniert und die es dem Chemiker ermöglicht, bekannte Stoffe in neue umzuwandeln, die völlig andere Eigenschaften aufweisen und in der Landwirtschaft, Medizin, Industrie und in vielen anderen Bereichen angewandt werden können.
*Warum soll man Chemie studieren?*
Thaler: Die Tatsache, dass die Chemie bei praktisch allen grossen technologischen Herausforderungen eine zentrale Rolle spielt, sollte junge Leute motivieren, Chemie zu studieren und aktiv zur Lösung der anstehenden Probleme beizutragen. Chemie ist extrem vielseitig und bietet besonders in Verbindung mit anderen Wissenschaften ein unerschöpfliches Feld für entdeckungsfreudige junge Forscher.


**Schaffhauser Tag der Chemie**
Das Programm

Zeit und Ort
Der Schaffhauser Tag der Chemie findet heute von 10 bis 16 Uhr in der Kantonsschule Schaffhausen statt. Er steht der interessierten Öffentlichkeit offen. Angeboten werden Demonstrationen, Experimente und Ausstellungen. Es gibt betreute Mitmach-Experimente für Kinder, Jugendliche und Erwachsene sowie Vorträge und Filme. Vertreten sind neben der Kantonsschule verschiedene Chemiefirmen, das Interkantonale Labor Schaffhausen und die Naturforschende Gesellschaft.

Offizieller Teil
Dieser beginnt um 11 Uhr in der Aula des Altbaus mit Ansprachen von Regierungsrat Christian Amsler, Stadtpräsident Thomas Feurer und Marcus Cajakob von der Wirtschaftsförderung. Im Anschluss befragt Stefan Balduzzi Prof. Dr. Gerd Folkers zum Thema «Chemie – eine Wissenschaft ringt um ihr Image». «Chemische» Slam Poetry von Simon Chen, Musik und ein Apéro beschliessen diesen Teil.

Nobelpreisträger
Um 15 Uhr spricht in der Aula des Altbaus Nobelpreisträger Prof. Dr. Richard Ernst zum Thema «Mein Weg zur Chemie und darüber hinaus».

Kurzvorträge I
Im Raum 325 im Altbau finden folgende Kurzvorträge statt: 10 und 14 Uhr: Urs Weibel: Von der Sexparty bis zum Schafott, alles drin beim Ölkäfer. 10.30 und 13.30 Uhr: Ruth Böni: Spinat & Co. in der Turbo-Version – Chemiker als Gemüsetuner. 13 und 14.30 Uhr: Simone Hörtner: Kleider machen Leute – und verpackte Wirkstoffe bessere Medikamente.

Kurzvorträge II
Im Raum 326 des Altbaus finden folgende Kurzvorträge statt: 10 und 13 Uhr: Pirmin Ulmann: Die Sonne im Tank – Organische Solarzellen und Lithiumionen-Batterien. 10.30 und 13.30 Uhr: Erich Hammer: Der beste Chemiker ist die Natur.

Kurzvorträge III und Show
Im Raum 223 des Altbaus finden folgende Kurzvorträge statt: 10.30 Uhr: Jonas Bosshard: Die selbst reinigende Glasscheibe. 13.30 und 14.30 Uhr: Lisa Hartmeier: Röntgenkontrastmittel – wohin fliesst das? 10, 13 und 14 Uhr: Thomas Stamm: Die Show des Chemielehrers.

Demonstrationen
Trüb Emulsions Chemie: Imprägnierung von Papier. Heisssiegeln von Jogurthbechern. Entstehung einer Emulsion live. Kantonsschule: Stahlgiessen – Nuggets zum Mitnehmen, mit Rainer Steiger. Kantonales Labor: Lebensmittel und Aromen; GC-Sniffer: Sauber sniffen. Destillation von Aromen: Erst Dampf ablassen, dann Aroma fassen. Soxhlet-Extraktion: Willst du’s kompakt, nimm den Extrakt. Molekularküche: Die Küche als Chemielabor. Caramel: Zuckersüsse Chemie. «Kaviar»: Mal als fruchtige Delikatesse. Kochen mit flüssigem Stickstoff: Von Jogurth auf Glace in 8 Sekunden und Pralinen aus der Eiszeit.

Firmen
Folgende Firmen sind mit einem Stand vertreten: Merck & Cie, Cilag AG, Trüb Emulsions Chemie, BASF

Wettbewerb
Die Naturforschende Gesellschaft Schaffhausen führt einen Wettbewerb mit einer Preissumme von 5000 Franken durch.

Festwirtschaft
In der Mensa gibt es Grillspezialitäten, Würste, Salate, Snacks, alkoholfreie Getränke, Kaffee, Bier, Wein.

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13. Mai 2011 | Beim Thema Bier ist heute jeder ein Experte

Schaffhauser Nachrichten, Stadt Schaffhausen
Mark Schiesser

Ist jemand, der über Bier schreibt und keinen Bierbauch hat, überhaupt kompetent? Ja, wenn man sich dafür als Historiker ein Jahr lang Zeit nimmt, akribisch recherchiert und auch die Branche in der Geschichte verankert.
Während im Restaurant Falken die Gäste genussvoll ihre «Stange» konsumieren, bekommt man oben in der Lounge eine interessante Lektion zum Thema Gerstensaft. «Mit der Bezeichnung Stange ist lediglich die Glasform, nicht aber der Inhalt näher bezeichnet», erklärt Matthias Wiesmann, Zürcher Wirtschaftshistoriker mit Schaffhauser Wurzeln, und weist darauf hin, dass emanzipierte Biertrinkerinnen und -trinker zuerst nach der Biermarke oder deren Spezialitäten fragen sollten. Vor zwei Jahren fasste er den Entschluss, nach der Lizenziatsarbeit über Aufstieg und (Zer-)Fall der Brauerei Hürlimann einen Überblick über die Geschichte der Brauereien und des Bierkonsums in der Schweiz zu verfassen. «Ich wollte Wissenswertes mit Witzigem kombinieren. Das Buch sollte nicht streng wissenschaftlich sein, sondern auch Spass machen», erklärt der «Göttibueb» von Liedermacher Dieter Wiesmann. Ausserdem habe er herausgefunden, dass es nichts über diese Branche gibt. «Bei meinen Recherchen bin ich auch überall auf offene Ohren gestossen, denn beim Thema Bier ist heute jeder ein Experte.» In kleinen eingeschobenen Geschichten zeigt Wiesmann auch erstaunliche Begebenheiten und wissenswerte Details: von Bierdeckelsammlern, Felsenkellern, Eisgalgen, Kartellen und Familienunternehmen. Und auch Arnold Oechslins Werbeplakate oder besser Kunstwerke für die Brauerei Falken haben zur Freude von Grafiker Peter G. Ulmer, einem langjährigen Freund der Familie, ihren Platz im Buch gefunden. «Ich bin stolz, in dieser Branche arbeiten zu dürfen», freute sich Markus Höfler, Falken-Marketingverantwortlicher und Mitglied der Geschäftsleitung, beim Durchblättern. «Schliesslich sind auch wir seit 1799 ein Teil der Bierkultur.» Das reich illustrierte Buch ist ein etwas anderer Genuss, und das nicht nur für Liebhaber des Nationalgetränkes, bei dem man nur sagen kann: na dann, Prost!



Matthias Wiesmann Bier und wir. Geschichte der Brauereien und des Bierkonsums der Schweiz, Hier + Jetzt Verlag, April 2011, 260 Seiten mit über 200 Abbildungen, 58 Franken.

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28. April 2011 | Herzinfakt und Schlaganfall erkennen

herzinfakt_und_schlaganfall_erkennen.pdf

PAGITZ Mary, OSR.
Pflegedienstleitung
Chirurgische Univ. Kliniken
Anichstr. 35
6020 Innsbruck

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23. April 2011 | Kein Alkohol ist auch keine Lösung

Tages-Anzeiger, Analyse
ges

«Wer nicht raucht, lebt nicht länger; es fühlt sich bloss länger an.» Wer hat das schon wieder gesagt? War es George Bernard Shaw? Die Lakonik, die Eleganz, die gestaffelte Pointe: Alles würde zu ihm passen. Aber Shaw, der sich als Ire auch bei den Folgen des Alkoholismus auskannte und zudem Vegetarier war, fand das Rauchen ebenso ungesund wie das Trinken und redete zeitlebens dagegen an.
Er hatte ja recht. Trinken macht blöd und Rauchen tot. Aber das hat sich inzwischen herumgesprochen. Heute werden Alkohol- und andere Drogenprobleme immer früher, häufiger und lauter beschworen. Und nicht nur das: Es werden der Probleme immer mehr.

**Rausch, Ekstase, Osterbraten**
Denn wie eine grosse neue Studie zeigt, kann schon wenig Alkohol dem Körper schaden (TA vom 14. April). Man bekommt zwar weniger schnell einen Herzinfarkt, dafür riskiert man viele Sorten Krebs. Und was nicht Krebs erzeugt, macht dumpf (Fernsehen), depressiv (Ecstasy) oder einsam (Internet). Das gute Essen ist sowieso schlecht. Rausch, Ekstase und Osterbraten: Alles Gute ist ungesund, ausser Sex – und der ist dreckig, wenn man ihn ernst nimmt.
Das Problem liegt auch nicht mehr daran, was krankmacht, sondern wie das Krankmachende bekämpft wird. Gesundheitsvorsorge, Präventionsgesetz, vorbeugende Massnahmen, aufklärende Beratung, Vorbildfunktion, kostensenkendes Früherkennen, zielgerichtete Verhaltensänderung, Entzug, aushalten, Nein sagen, trockenbleiben, abgewöhnen, masshalten: Das klingt alles so mürb, so frömmlerisch vertrocknet, dass man gleich wieder zur Flasche greift. Aus dem Vokabular der Vorbeuger schrillt der Verzichtston der Religiösen, die zwar das Leben preisen, aber die Freude daran vermiesen. Dabei ist gerade die Lebensfreude ein Wort, das die Präventiven besonders gerne brauchen. Nur klingt es bei ihnen weder nach dem einen noch nach dem anderen.

**Der Himmel – so grau**
Wenn aber die Lebensfreude so verschrumpelt daherkommt, wenn sie ripscht wie Filz, schmeckt wie Kreide und aussieht wie Mutter Teresa: Dann fragt man sich, was an dieser Freude froh macht. Wenn eine Sucht die Hölle ist, warum ist der Himmel dann so langweilig? Und warum haben die Gesunden so wenig Humor? Wer das Internet nach Süchtigen absucht, wird mit Witz aus zwei Jahrtausenden belohnt. Wer nach den Gesunden fragt, bekommt Magersüchtige in Weiss. Jede Prävention aber, deren Botschaft nach dem Gegenteil ihrer Absicht klingt, muss scheitern; sie hat es nicht anders verdient.
«Es fühlt sich bloss länger an»: Das hat übrigens nicht Shaw gesagt, sondern Freud. Clement Freud, Sohn des Ernst, Bruder des Lucian, Enkel des Sigmund. 1924 in Berlin geboren und von seinen Eltern rechtzeitig nach England gebracht. Dortselbst als Sportjournalist, Restaurantbetreiber, Radiomann, Parlamentarier, Koch, Raucher, Weinkenner, Satiriker, Ehemann und fünffacher Familienvater aktiv. Warum er immer fetter werde, fragte ihn ein Freund. «Weil deine Frau jedes Mal für mich kocht, wenn ich mit ihr schlafe.» Clement Freud starb vor zwei Jahren; er wurde 84 Jahre alt.

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14. April 2011 | Ein Gläschen in Unehren

Tages-Anzeiger, Wissen
Felix Straumann

Zu viel Alkohol ist ungesund, das weiss jeder. Dass selbst moderater Konsum Krebs begünstigt, überrascht hingegen. Doch zu genau diesem Schluss kommt nun ein internationales Forscherteam, nachdem es die Daten von mehr als 360 000 Personen aus acht europäischen Ländern ausgewertet hat («British Medical Journal online»).
Demnach ist Alkoholkonsum für jeden 10.Krebsfall bei Männern und jeden 33. bei Frauen verantwortlich. Die Mehrzahl dieser alkoholbedingten Erkrankungen ist zwar gemäss Studie auf übermässiges Trinken zurückzuführen. Doch selbst weniger als ein bis zwei Glas Bier, Wein oder Schnaps pro Tag kann die Entstehung gewisser Krebsarten fördern. Das Risiko überwiegt dabei laut den Forschern selbst den möglichen Nutzen für Herz und Kreislauf, wie er vor allem beim Wein aufgrund von verschiedenen Studien seit einiger Zeit angenommen wird.
Die Krebsarten, die schon länger mit Alkoholkonsum in Verbindung gebracht werden, betreffen die Leber und den oberen Verdauungstrakt (Mund, Rachen, Speiseröhre, Kehlkopf). Neu hinzu gekommen sind vor wenigen Jahren Brust und Darm. Die jetzt von den Wissenschaftlern berechneten alkoholbedingten Anteile sind dabei vergleichbar mit Ergebnissen von ähnlichen Untersuchungen. Die relativ tiefen Werte bei Brust- und Darmkrebs fallen dabei in absoluten Zahlen stark ins Gewicht, da sie zu den häufigsten Krebsarten gehören. Brustkrebs ist bei Frauen gemäss Studie gar der häufigste Krebs aufgrund von Alkoholkonsum.

**Trinkempfehlungen überprüft**
«Studien zeigen schon länger, dass Alkohol Krebs auslöst – das Ausmass wird jedoch erst seit ein paar Jahren klar», sagt Manuela Bergmann vom Deutschen Institut für Ernährungsforschung in Potsdam. Die nun publizierte Studie fand im Rahmen der seit 1994 laufenden Europäischen Ernährungsstudie Epic (European Prospective Investigation into Cancer and Nutrition) statt und ist für Europa die detaillierteste Analyse zum Thema. Das Krebsrisiko berechneten die Wissenschaftler aus den Angaben zu Alkoholkonsum in Befragungen und dem Auftreten von Krebsfällen unter den Studienteilnehmern aus Dänemark, Deutschland, Frankreich, Griechenland, Grossbritannien, Italien, den Niederlanden und Spanien.
Neben der Häufigkeit von alkoholbedingtem Krebs untersuchten die Wissenschaftler, was heutige Trinkempfehlungen für das Krebsrisiko bedeuten. Die Schweizerische Gesellschaft für Ernährung (SGE) beispielsweise hält für gesunde Frauen 10 Gramm Alkohol pro Tag für gesundheitsverträglich, bei Männern 20 Gramm. Für Frauen entspricht dies 2,5 Deziliter Bier oder 1 Deziliter Wein, für Männer dem Doppelten.
Zwar zeigte sich, dass die meisten alkoholbedingten Krebsfälle mit übermässigem Konsum in Beziehung stehen (18 von 100 Krebsfällen bei Männern, 4 von 100 bei Frauen). Doch auch wer sich an die Empfehlungen hält, hat ein gewisses Risiko, wegen Alkoholkonsums an Krebs zu erkranken (3 von 100 Krebserkrankungen bei Männern, 1 von 100 bei Frauen). «Im Hinblick auf das Krebsrisiko gibt es keinen sicheren Grenzwert für den Alkoholkonsum», sagt Bergmann. Zwar seien die Risikowerte bei moderatem Trinken für den Einzelnen nicht besonders hoch, auf die ganze Bevölkerung gerechnet, betreffe es jedoch viele Menschen. In der Schweiz ist demnach mit rund 800 Krebsneuerkrankungen jährlich zu rechnen.
Interessant ist der Vergleich des Krebsrisikos mit den propagierten positiven Effekten von Alkohol. So zeigen verschiedene Studien, dass sich ein moderater Konsum positiv auf Lebenserwartung und Herz und Kreislauf auswirkt. Beispielsweise erschien vor wenigen Wochen im gleichen Fachblatt «British Medical Journal» eine Übersichtsstudie, die solche Effekte im Vergleich zu Nietrinkern fand. Im Fall von Wein ist auch die Rede vom «French Paradox», der Beobachtung, dass Franzosen trotz (oder eben: wegen) Alkoholkonsums länger leben als andere Europäer.
Die Autoren der Epic-Studie sind allerdings der Meinung, dass, wenn das Krebsrisiko und die positiven Herz-Kreislauf-Effekte einander gegenübergestellt werden, «der Nettoeffekt von Alkohol schädlich ist», auch bei niedrigen Mengen. «Alkohol sollte für die Herz-Kreislauf-Prävention oder zur generellen Verlängerung der Lebenserwartung nicht empfohlen werden», schreiben sie in ihrem Paper.

**WHO korrigiert Berichte**
Bergmann zweifelt grundsätzlich an den Studien, die bei moderatem Alkoholkonsum einen Präventionseffekt zeigen. «Moderate Trinker verfügen wahrscheinlich über andere gesundheitsfördernde Eigenschaften, die diese Studien verfälschen», glaubt die deutsche Wissenschaftlerin. Sie vermutet, dass diese Menschen in allen Bereichen moderater leben und deshalb gesünder sind. Zudem sind sie laut Bergmann häufig höher gebildet und sozial besser gestellt als der Durchschnitt. Auf der anderen Seite hat die Vergleichsgruppe der Nichttrinker möglicherweise Merkmale, die sich negativ auf die Gesundheit auswirken, etwa eine zu rigide Lebensweise oder eine überwundene oder versteckte Alkoholsucht.
Mit ihrer Skepsis steht Bergmann nicht allein. So hat die Weltgesundheitsorganisation WHO diesen Februar in ihrem Statusbericht zur Alkoholproblematik die Bedeutung der Herz-Kreislauf-Prävention deutlich nach unten korrigiert im Vergleich zum Vorgängerbericht von 2004.
Das Thema Alkohol ist eine Gratwanderung zwischen Gesundheit und Lebenslust, das sieht auch Bergmann so. Für sie ist deshalb auch klar, dass es keinen Sinn hat, in Europa Abstinenz zu fordern. Bergmann: «Wir sind schon froh, wenn sich die Leute beim Trinken an die heutigen Empfehlungen halten.»
Na Prost: Schon das berühmte Glas Wein am Tag erhöht laut einer neuen Studie das Krebsrisiko.